Holt Bayer für die nächste Saison eine Nummer 1 oder traut man Matej Kovar diesen Schritt zu? Trotz aller Kritik am Tschechen ist Trainer Xabi Alonso mit dessen Entwicklung zufrieden. Manager Simon Rolfes betont, dass noch keine Entscheidung gefallen ist.
Abschied des Tschechen laut Rolfes nicht beschlossen
Zwei zentrale Fragen muss Xabi Alonso für das Halbfinale im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld beantworten: Lässt er seine Mannschaft wieder mit beiden Mittelstürmern, also Victor Boniface neben Patrik Schick, angreifen? Und welchem seiner beiden Torhüter erteilt er das Startelfmandat?
In der Offensive sollte die Antwort Ja lauten. Auch wenn der zuletzt muskulär angeschlagene Nathan Tella („Wenn im Abschlusstraining kein neues Problem auftritt, ist er dabei“, so Xabi Alonso) wohl wieder als Alternative für den Angriff bereitsteht. Solange Topstar und Ideengeber Florian Wirtz (Innenbandverletzung im Sprunggelenk) weiter ausfällt, stellt Boniface mit seinen Dribblings und seinem Überraschungsmoment die vielleicht beste Ersatzlösung dar. Auch wenn das Duo Boniface/Schick gegen den VfL (3:1) nicht so gut wie zuvor beim gemeinsamen Kurzauftritt in Stuttgart (4:3) harmonierte.
Hradecky hielt zuletzt verlässlich
Während die Stürmerfrage sich wohl nur noch diese und vielleicht nächste Woche stellt, bis Wirtz zurückkehrt, hat die zweite Frage auf einer zentralen Position eine viel größere Reichweite. Und das nicht nur, weil Torhüter Matej Kovar bei 1,96 Meter Körpergröße über eine immense Spannweite verfügt.
Der Tscheche spielt bis zum Saisonende um seine Zukunft. Nach seinem Aufstieg zur Nummer 1 in der tschechischen Nationalmannschaft möchte der 24-Jährige ab der kommenden Spielzeit so etwas wie den Status einer Nummer 1 ergattern. Wenn nicht in Leverkusen, dann woanders. Zwar betont Xabi Alonso immer, dass es bei ihm keine Nummer 1 gebe. Dennoch hat der zuletzt wieder verlässlich agierende Routinier und Kapitän Lukas Hradecky (35) in dieser Saison bereits 28 Pflichtspiele für Leverkusen bestritten. Vier in der Königsklasse, 24 in der Liga – und damit mehr als doppelt so viele wie sein junger Herausforderer.
Kovar spielt diese Saison öfter, aber mit dem Fuß mit zu hohem Risiko
Kovar stand in insgesamt „nur“ 13 Pflichtspielen (drei in der Bundesliga, vier im Pokal, sechs in der Champions League) in dieser Saison für Bayer 04 im Kasten. Dazu kommen sechs Partien in der Nations League für Tschechien. Somit stehen bislang 19 Einsätze von Beginn an für den 2023 für etwa fünf Millionen Euro Ablöse von Manchester United gekommenen Keeper in dieser Spielzeit zu Buche. Zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison hatte der Keeper gerade einmal elf Einsätze (1/3/7 in der Europa League) absolviert.
Rein statistisch ist Kovar also auf dem richtigen Weg, sportlich steht er dennoch infrage. So hat er zwar auch in den wichtigen Spielen wie gegen Inter Mailand (1:0), bei Atletico Madrid (1:2) sowie im DFB-Pokal in München (1:0) gespielt und sich keine groben Fehler erlaubt, doch wirklich geglänzt hatte er mangels Möglichkeiten dazu eben auch nicht. Sodass nach seinem schweren Patzer vor dem zweiten Gegentreffer im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in München (0:3) der Abgesang auf ihn bereits geschrieben wurde. Kovar, der sich, obwohl er ein guter Fußballer ist, oft riskante Dribblings und Pässe erlaubt, habe keine Zukunft in Leverkusen über das Saisonende hinaus, so der Tenor. Bayer benötige eine neue Nummer 1.
„Auf der Torhüter-Position ist noch keine Entscheidung gefallen.“ (Simon Rolfes)
Eine Darstellung, der Simon Rolfes so widerspricht. „Es ist noch keine Entscheidung gefallen“, erklärt der Geschäftsführer bezüglich der Besetzung der Torhüterposition in der kommenden Spielzeit und Kovar (Vertrag bis 2028). Natürlich sondiert der Klub auf dieser Position den Markt, auf der der hochkarätig besetzte Kader wohl am leichtesten entscheidend verstärkt werden könnte. Doch ob dies wirklich im Sommer geschieht, ist den Worten von Rolfes zufolge noch nicht beschlossen.
Natürlich könnte der Manager diese Aussage aus taktischen Gründen treffen. Um Kovar nicht vorzeitig zu desillusionieren, um dessen Marktwert nicht zu senken, um im Saisonfinale keine zusätzliche Unruhe zu erzeugen. Einsätze für den Tschechen, um diesen für andere Klubs interessant zu machen, schließt Rolfes aber ebenso aus, wenn er sagt: „Es spielt immer die sportlich beste Lösung.“ Eine Entscheidung, die alleine bei Xabi Alonso liege, wie der Geschäftsführer betont.
Kovars Patzer von München spielt für Xabi Alonso keine Rolle
Womit sich wieder die Frage stellt, ob Kovar, der bislang alle Leverkusener DFB-Pokal-Spiele in dieser Saison absolvierte, auch am Dienstag im Halbfinale bei Arminia Bielefeld auflaufen darf. Xabi Alonso hält sich dies wie immer („Wir werden sehen“) offen, machte aber am Montag deutlich, dass er mit Kovars Leistung grundsätzlich einverstanden sei. „Er ist gut drauf. Er ist bereit zu spielen, hat gut trainiert. Ich sehe kein Problem“, sagte der Trainer und erklärte zu Kovars Patzer in München, nach dem dieser nicht mehr zum Zuge kam: „Fehler sind ein Teil des Spiels. In München ist einer passiert, aber für mich ist das kein Grund (ihn nicht spielen zu lassen).“
Darf Kovar auf der Alm ran, dürfte er weiter eine Chance haben, sich für die Nummer 1 in der kommenden Saison zu empfehlen. Muss der Tscheche auch im Pokal auf der Bank Platz nehmen, wäre das eher ein Signal, das gegen ihn und seine Stammplatz-Chancen in Leverkusen in der kommenden Saison spricht.
„Matejs Entwicklung ist aus meiner Sicht positiv.“ (Xabi Alonso)
Ob Kovar diese aus des Trainers Sicht besitzt, wollte Xabi Alonso am Montag nicht einordnen. „Um ehrlich zu sein, denke ich jetzt nicht so viel an die nächste Saison“, wiegelte der Baske die Frage ab, um noch einmal den Hünen zu loben. „Diese Saison war für Matej wichtig. Er hat seine Spielzeit bekommen in der Champions League, im Pokal, auch in der Bundesliga. In der Nationalmannschaft ist er jetzt die Nummer 1. Seine Entwicklung ist aus meiner Sicht positiv.“
Das stimmt zweifellos. Bleibt nur die Frage, ob Kovars Fortschritte groß genug sind, um die hohen Leverkusener Ansprüche zu erfüllen. Xabi Alonsos Startaufstellung könnte die Frage, ob Kovar noch eine echte Perspektive hat, im Falle eines Einsatzes grundsätzlich positiv beantworten. Ob sich in diesem Fall auch für den Tschechen dann wirklich die Möglichkeit bieten würde, sich auszuzeichnen, steht gegen den sicherlich sehr defensiv auftretenden Drittligisten auf einem ganz anderen Blatt.
Hat sich Bayer noch nicht entschieden, wie es mit Kovar weitergeht, benötigen die Verantwortlichen definitiv weitere aussagekräftige Eindrücke. Dafür müsste der Tscheche spielen. Die Torwartfrage wird Bayer 04 noch länger beschäftigen – so oder so.