Vor dem Spiel gegen den FC Augsburg dreht sich bei Bayer 04 fast alles um die Zukunft von Xabi Alonso. Am Freitag versuchte der Trainer, der als Ancelotti-Nachfolger bei Real Madrid ganz oben auf der Liste steht, alle Fragen elegant zu umdribbeln. Erneut auf Kosten seines aktuellen Klubs.
Trainer schließt selbst Rückkehr nach San Sebastian nicht aus
Als die sechste von insgesamt sieben Fragen zu Xabi Alonsos Zukunft in der Pressekonferenz gestellt wurde, setzte der 43-Jährige sein schelmisches Lächeln auf und sagte: „Zehn Antworten, die mehr oder weniger dieselben waren. Ihr könnt Eurer Resümee ziehen, wie auch immer ihr wollt.“
Leverkusens Trainer war offensichtlich ganz zufrieden, wie er sich bis dahin durch das Verhör gedribbelt hatte. Die Frage ist nur, wie das den Klub-Verantwortlichen auf Dauer gefällt. Hatten diese doch am Ostermontag ein schnelle Entscheidung eingefordert.
„Ich spüre keinen Druck. Noch ist es zu früh zu reden.“ (Xabi Alonso)
Man könne nicht bis zum Saisonende warten, hatte Klub-Boss Fernando Carro erklärt. Doch Xabi Alonso sagte am Freitag nur: „Ich spüre keinen Druck. Die Situation ist klar. Es gibt einen Moment für alles. Noch ist es zu früh zu reden.“
Der Baske, das machte er bei all seinen Ausweichversuchen klar, kann seinen Entschluss noch nicht verkünden oder noch gar nicht treffen. Ob es denn jetzt etwas zu entscheiden gebe, anders als Ende März, als Xabi Alonso sein ausbleibendes Bekenntnis zu Bayer 04 damit begründet hatte, dass es eben nichts zu entscheiden gebe, wurde der Trainer gefragt. Die knappe Antwort: „Nein.“
Xabi Alonso wartet offenbar auf das Signal von Perez
Doch bei der eigentlich rhetorischen Frage, ob er also erwarte, dass es künftig noch etwas zu entscheiden gebe, ließ ein Satz die Situation erkennen. „Das weiß ich nicht“, sagte Xabi Alonso zuerst, der demnach nicht weiß, ob er erwartet, dass es noch etwas zu entscheiden gibt. Was natürlich Unsinn ist. Denn erstens erwartet er es oder er erwartet es eben nicht. Und zweitens: Wenn er nichts erwarten würde, ergäbe es keinen Sinn, seinen Verein weiter hinzuhalten und so die auf allen Ebenen wachsende Unsicherheit weiter zu schüren.
Doch sein Nachsatz („Das ist nichts, was ich entscheide“) verriet, dass er konkret auf etwas wartet. Wahrscheinlich auf den Wink von Real-Präsident Florentino Perez, der offenbar nur noch über den Zeitpunkt nachdenkt, an dem er seinen aktuellen Trainer Carlo Ancelotti (Vertrag bis 2026) nach einer enttäuschenden Saison verabschiedet. Das spanische Pokalfinale am Samstag zwischen Barca und Real gilt als möglicher, aber nicht als sicherer Zeitpunkt.
Xabi Alonsos Versteckspiel kann nur einen Grund haben: seinen Wechselwunsch
Ob Xabi Alonso, an dem noch ein zweiter Klub interessiert sein soll, schon definitiv weiß, dass er Ancelottis Nachfolger wird, und dies einfach nicht verraten darf, oder noch auf den finalen Wink aus Madrid wartet, erscheint fast schon als unerheblich aufgrund des Versteckspiels, das nur einen Grund haben kann, nämlich seinen gehegten Wechselwunsch.
Während Xabi Alonso (Vertrag bis 2026) offenbar kein Problem mit dem Stillstand hat, sind Bayer die Hände mehr oder weniger gebunden. Kann der Klub doch kaum etwas anderes machen als abzuwarten, wie sich der Erfolgstrainer entscheidet – und im Hintergrund dessen Nachfolger zu suchen.
Dass Geschäftsführer Simon Rolfes gegenüber Sky nun erklärte, bis zum Saisonende Klarheit haben zu wollen, was nach außen den Eindruck erwecken mag , dass er gegenüber Carros Aussage zurückrudert, dokumentiert die eingeschränkten Möglichkeiten. Bayer, das intern aber vielmehr den Druck auf Xabi Alonso erhöht hat, könnte, wenn dem Klub das Warten zu lang wird, nur entscheiden, sich von Xabi Alonso zu trennen. Aber dass will ja keiner. Aus guten Gründen.
„Für mich ist es ganz wichtig, dass wir dieses Vertrauen haben und so zusammenarbeiten. Und das bleibt so.“ (Xabi Alonso)
Aus Sicht des Trainers sorgt der wochenlange Schwebezustand noch nicht für Dissonanzen. „Die Kommunikation mit Simon und Fernando ist sehr klar. Wenn es etwas zu entscheiden und zu diskutieren gibt, sind wir ganz direkt. Für mich ist es ganz wichtig, dass wir dieses Vertrauen haben und so zusammenarbeiten“, sagte Xabi Alonso, „und das bleibt so.“ Wie lange, gilt es abzuwarten.
Denn dass der Trainer am Freitag selbst die Rückkehr zu Real Sociedad nicht vom Tisch wischte, kann Carro und Rolfes nicht wirklich schmecken. So berichtet Radio Marca, dass der Heimatverein von Xabi Alonso, den 43-Jährigen als Nachfolger von Imanol Alguacil verpflichten möchte, nachdem der 53-Jährige auf eigenen Wunsch die Basken zum Saisonende nach sechs Jahren im Amt verlassen wird.
Zurück zu Real Sociedad? Xabi Alonso: „Ich weiß nicht, was passieren wird“
Der Leverkusener Trainer schloss auf die konkrete Nachfrage nicht aus, dass er kommende Saison in San Sebastian arbeiten werde. So sagte er nur: „Sicher war die Nachricht von Imanol eine große Überraschung. Alle Fans und alle Leute von Real Sociedad waren nicht darauf vorbereitet. Ich weiß nicht, was passieren wird.“
Würde Xabi Alonso im Sommer beruflich in Nordspanien landen, wäre ein solcher Wechsel für Bayer 04 schwer nach außen zu verkaufen. Wenn mit Real Madrid der beste Klub der Welt ruft, wäre es für jeden Betrachter nachvollziehbar, dass der Werksklub den Trainer gehen lassen würde. Zumal das Interesse Reals auch eine Auszeichnung für den Klub wäre, bei dem der Trainer-Rookie Xabi Alonso innerhalb von weniger als drei Jahren zu einem der begehrtesten Trainer in Europa aufgestiegen ist.
Xabi Alonsos Zögern geht zu Lasten Bayers
Ein Wechsel zum Tabellenneunten der spanischen La Liga wäre hingegen ein Tiefschlag für Bayer. Den die internen Abkommen womöglich hergeben. Hatte Rolfes doch am Montag am Rande des Laureus Awards in Madrid erklärt: „Wenn ein ehemaliger Verein von Xabi kommt, haben wir ein Gentlemen’s Agreement, uns damit auseinander zu setzen.“ Hat sich der Manager dabei nicht ungenau ausgedrückt, würde dieses Agreement außer für Real, Liverpool und den FC Bayern eben auch für Real Sociedad gelten.
Egal, wie unwahrscheinlich ein solches Szenario sein mag, war Xabi Alonsos Statement zu Real Sociedad unglücklich. Auch wenn er seinen Heimatverein natürlich nicht öffentlich absagen möchte. Doch am Ende geht dies wieder auf Kosten von Bayer 04. Und auch wenn Xabi Alonso all diese rhetorischen Spielchen, die er zumindest mit den Journalisten spielt, natürlich nicht aus Jux und Tollerei treibt, wirken seine Worte auch in diesem Fall nur negativ für den Klub.
Xabi Alonso zu den Journalisten: „Ihr könnt es gerne weiter versuchen“
Der Spanier gibt sich von der Situation unbelastet. „Keep trying“ („Ihr könnt es gerne weiter versuchen“), sagte Xabi Alonso in Richtung der Journalistennach den 14 Minuten, in denen es sich hauptsächlich um seine Person drehte, als er den Pressekonferenzraum in der BayArena verließ. Klar ist: Die Fragen werden nicht weniger werden, so lange keine Klarheit herrscht. Für den außenstehenden Beobachter ist dieses Szenario unterhaltsam. Ob dies auch für alle direkt Beteiligten gilt, ist eine ganz andere Frage.