Dortmunds Suche nach dem Mittelweg 

 

1:5 beim VfB Stuttgart, 7:1 gegen Celtic Glasgow: Die Ausschläge bei Borussia Dortmund sind schon früh in der Saison groß. Wo liegt die Wahrheit?

Schon früh mit Höhen und Tiefen

Matthias Sammers Wort hat Gewicht in Dortmund, das ist kein Geheimnis. Als externer Berater sitzt er in den wichtigsten sportlichen Sitzungen am Tisch und äußert seine Meinung rede- und streitlustig, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist ebenso ein Partner für den regelmäßigen Austausch wie nun dessen Nachfolger als sportlicher Entscheidungsträger, Lars Ricken.

Und Sammer hat sich in seinen langen Jahren im Fußball als Ex-Profi, Ex-Trainer und Ex-Funktionär den Ruf des antizyklischen Mahners erworben. Keiner, der gerne in noch so berechtigte Jubelarien einstimmt, sondern einer, der direkt wieder nach vorne schaut, um mögliche Stolpersteine in naher Zukunft zu identifizieren.

Union Berlin im Hinterkopf und vor der Brust

So stand Sammer also an diesem Dienstagabend am Spielfeldrand des Dortmunder Stadions, um ihn herum die Feierlichkeiten des berauschenden Dortmunder 7:1-Siegs gegen Celtic Glasgow, die „Spitzenreiter“-Sprechchöre der Südtribüne noch in den Ohren und dachte an Köpenick und die Alte Försterei. „Ich kann mich freuen über so einen Abend“, sagte der 57-Jährige als Experte für Prime Video also und gab im nächsten Satz zu: „Gleichzeitig habe ich Union Berlin im Hinterkopf. Der Alltag kommt.“

Der Alltag im Herbst besteht für den BVB nicht aus dem Spiel in der Hauptstadt am Samstag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker), sondern wie jedes Jahr aus englischen Wochen, aus Dreifach-Belastung und einer rasend schnellen Folge an Spielen. Die Halbwertszeit der Erkenntnisse ist kurz, selbst rund um den Borsigplatz, wo die Ausschläge auch in dieser Saison und schon früh extrem sind. Nur neun Tage vor der Gala gegen Glasgow unterlag Dortmund 1:5 beim VfB Stuttgart und stand gefühlt kurz vor einer existenziellen Krise, nun an der Spitze der 36 Vereine umfassenden Champions-League-Tabelle – die volle Klaviatur in sieben Tageszeitungs-Ausgaben und rund fünf richtigen Trainingstagen.

Zwischen Ausrutscher und Kantersieg

Doch wo liegt die Wahrheit? „Ich freue mich extrem, aber ich ordne das schon nüchtern ein“, versuchte Trainer Nuri Sahin am Dienstagabend die Euphorie ebenso zu bremsen wie den Fatalismus nach der Stuttgart-Partie. Ein wenn auch böser Ausrutscher ist ebenso wenig eine Tendenz wie ein Kantersieg, der bei allen positiven Aspekten zudem von einer brutalen Effizienz lebte.

Dortmund sucht den Mittelweg, die gemäßigte Spur. Ebenso wie das Team unter Sahin mehr Dominanz ausstrahlen will, sollen auch die Spitzen in der Emotionskurve kontrollierter ausfallen, vor allem die nach unten. Konstanz und Regelmäßigkeit auf hohem Niveau sind eben die Qualitäten einer Spitzen-Mannschaft, und das ist der Anspruch. „Wir haben in unserer berühmt-berüchtigten Entwicklung Schritte gemacht“, nennt es Sahin und weiß selbst, dass die Worte sich naturgemäß ebenso wiederholen wie bestimmte Muster an schwarzen Tagen.

Der Auftritt gegen Glasgow soll im besten Fall nicht das vorzeitige Saison-Highlight gewesen sei, sondern die Messlatte für den weiteren Verlauf der Spielzeit, neudeutsch also „die Benchmark“. Das Aufbauspiel über die erste Pressinglinie, die Tiefe und das Tempo auf dem Weg ins gegnerische Drittel, die Zielstrebigkeit am und im gegnerischen Strafraum, das zermürbende Pressing und die gegen Celtic stark verbesserte Restverteidigung zeigen, was möglich ist – auch wenn die Schotten mit all ihren angebotenen Räumen und individuellen Fehlern ein dankbarer Gegner waren.

Das Ziel: Bestätigung statt Zweifel

Bei Union soll der Auftritt nun also bestätigt werden, nicht wieder in Zweifel gezogen. „Mit so einer Leistung werden wir am Wochenende auch gewinnen“, ist sich auch Sportdirektor Sebastian Kehl sicher: „Aber wenn wir einen Schritt weniger machen, wird es schwierig.“ Nicht nur Matthias Sammer wird genau hinschauen.

 

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