Ein überraschend zurückgetretener Präsident, keine Nachfolgekandidaten und schlechte Kommunikation: Die Mitgliederversammlung des SC Freiburg im Oktober 2024 verlief ungewöhnlich turbulent. Doch nun zeichnet sich bei diesem Thema eine zukunftsfähige Lösung ab – nachdem sich der Verein verstärkt mit der Basis ausgetauscht hat.
Nach vielen Dialogformaten mit Mitgliedern
Am Montag haben die inzwischen gut 75.000 Mitglieder des SC Freiburg elektronische Post bekommen. Sie wurden eingeladen zu einer „Informations- und Diskussionsveranstaltung“ am 3. Juni in der Haupttribüne des Europa-Park-Stadions. Inhaltlicher Schwerpunkt: Die Zukunft des Präsidentenamtes.
Dieses Thema hatte im Oktober 2024 für eine turbulente Mitgliederversammlung gesorgt – ungewöhnlich für den ansonsten gut, geräuschlos und erfolgreich geführten Sport-Club. Spannend: Im Einladungsschreiben wird bereits der gemeinsame, in vielen Dialogformaten mit den Mitgliedern erarbeitete „Lösungspfad“ erläutert.
Kurze Rückblende: Eberhard Fugmann war wenige Wochen vor der Versammlung am 10. Oktober 2024 als SC-Vereinspräsident, der laut Satzung wenig mit dem operativen Tagesgeschäft zu tun hat, sondern vor allem für den Verein-Fan-Dialog und repräsentative Aufgabe zuständig ist, überraschend zurückgetreten. Vor allem, weil ihn der zuständige Ehrenrat nicht zur Wiederwahl aufstellen wollte – dann aber auch keine anderen Nachfolgekandidaten präsentierte. Das war den Mitgliedern allerdings nur in einem Nebensatz auf Seite acht der zwölfseitigen Einladung Anfang September mitgeteilt worden. Auch, dass der Verein nun prüfen wolle, ob das Präsidentenamt „grundsätzlich in der bestehenden Form weitergeführt werden soll“.
Auf der Versammlung musste sich die Vereinsführung teils deutliche Kritik aus dem Kreis der etwa 1000 anwesenden Mitgliedern anhören – vor allem für die schlechte und intransparente Kommunikation in dieser Causa. Konkrete Antworten, etwa auf die Frage, warum der nicht anwesende Fugmann nicht mehr zur Wiederwahl aufgestellt werden sollte, gab es kaum. Die knapp fünfstündige Veranstaltung wurde auch durch eine altertümliche Abstimmungsmethode mit Papierzetteln in die Länge gezogen. Abgestraft wurde von den Mitgliedern letztlich einzig der Ehrenratsvorsitzende Rolf Ziegelbauer, der nicht mehr in sein nur recht knapp entlastetes Gremium gewählt wurde.
Lösungsorientierung hat Aufregung abgelöst
Inzwischen hat sich die Aufregung längst gelegt. Anfang November 2024 wurden die Mitglieder über den geplanten Dialog-Prozess rund um die Zukunft des weiter vakanten Präsidentenamts informiert. 50 zufällig ausgewählte Mitglieder, die ein möglichst diverses Abbild der Mitgliederschaft repräsentieren sollten, haben sich gemeinsam mit Aufsichtsrat, Vorstand, Ehrenrat, Mitgliederinitiative und Fanbeirat in einem mehrstufigen Dialogprozess mit der Präsidentenfrage auseinandergesetzt.
Im Fanbeirat wurden Vertreterinnen und Vertreter aus der Fangemeinschaft, Fanclubs sowie den Ultra-Gruppen und der Supporters Crew gebündelt. „Durch die Einbindung der 50 zufällig Ausgewählten haben auch nicht organisierte Mitglieder eine Stimme bekommen und an konkreten Lösungen mitgearbeitet“, heißt es im von den Vorständen Oliver Leki (Finanzen, Marketing und Kommunikation) und Jochen Saier (Sport) unterzeichneten Einladungsschreiben.
Gemeinsam mit dem interdisziplinären Team von Dr. Antje Grobe (Dialog Basis) wurde in den genannten Gremien und Gruppen „eingehend über Werte, ideelle Erwartungen, Aufgaben und Strukturen rund um das Präsidentenamt und den SC Freiburg“ diskutiert. Dabei tauschten sich die Akteure auch über notwendige Anpassungen in der Vereinssatzung aus. Mitte März entwickelten schließlich rund 20 Personen in Vertretung der jeweiligen Gruppen einen „gemeinsam getragenen Lösungspfad“.
„Es bestand große Einigkeit, dass die Herausforderungen und Probleme des Präsidentenamtes die stabilen Strukturen, die den Verein über Jahre und bis heute erfolgreich gemacht haben, nicht gefährden dürfen.“ (Oliver Leki und Jochen Saier)
„Es bestand große Einigkeit, dass die Herausforderungen und Probleme des Präsidentenamtes die stabilen Strukturen, die den Verein über Jahre und bis heute erfolgreich gemacht haben, nicht gefährden dürfen“, erklärten Leki uns Saier: „Besonders eindrücklich war darüber hinaus die beinahe wortgleich in den unterschiedlichen Gruppen herausgearbeiteten Werte, die den Verein bis heute ausmachen und die es zu erhalten gilt.“
Bis Ende April durften zudem alle Mitglieder im Zuge einer Online-Umfrage ihre Meinung zu verschiedenen Aspekten einer möglichen Lösung abgeben. Mit gut 8000 Rückmeldungen habe man „ein aussagekräftiges Ergebnis vorliegen, welches zentrale Punkte des gemeinsam entwickelten Lösungspfades bekräftigt“.
In allen Dialogformaten haben die Verantwortlichen eine „hohe Erwartungshaltung an und rund um das Präsidentenamt in vielen unterschiedlichen Facetten“ wahrgenommen. Leki und Saier stellen klar: „Die von dem Amt beispielsweise allzu häufig erwartete detaillierte Kenntnis des äußert komplexen operativen Geschäfts Profifußball sowie von außen zugeschriebener Entscheidungsbefugnis innerhalb des Vereins sind in der Satzung so keinesfalls angelegt und auch nicht zu leisten.“
Ein Vereinsrat soll gleich zwei Gremien ersetzen
Eine Doppelfunktion des Aufsichtsratsvorsitzenden als Präsident wurde einvernehmlich ausgeschlossen. Weitere Szenarien, die nach breiter Diskussion verworfen wurden, möchte der Sport-Club im Juni „kurz und transparent benennen“. Dafür stellten die Gruppen fest, dass sich mehrere Zuständigkeiten und Aufgaben im Präsidentenamt und dem Ehrenrat doppeln. Daraus folgte der Vorschlag einer Zusammenführung beider Gremien.
„Unter gründlicher Abwägung aller Aspekte bestand bei den Gruppen eine große Offenheit für eine Abschaffung oder den Umbau des Präsidentenamtes“, erklärten Leki und Saier. Dieser Vorschlag sei „als essenziell für eine zukünftige Lösung erachtet“ worden.
Konkret geplant ist nun, dass das Präsidentenamt abgeschafft wird und der Ehrenrat von einem neuen, um weitere Aufgaben und Befugnisse ergänzten sowie personell erweiterten Gremium abgelöst werden soll: dem Vereinsrat. Der Vereinsrat soll künftig „in seiner Zusammensetzung die Vielfalt der Mitglieder besser repräsentieren“ und aus neun bis zwölf Mitgliedern bestehen, die grundsätzlich auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden statt wie zuvor für fünf Jahre beim Ehrenrat. Zentrale Aufgabe: Die Wahrnehmung der unterschiedlichen Interessen und Anliegen von Fans und Mitgliedern.
Zwei-Drittel-Mehrheit im Oktober nötig
Die acht erst 2024 gewählten Ehrenräte sollen für eine Übergangszeit von zwei Jahren zunächst Teil des neuen Vereinsrates bleiben, ehe dieser 2027 dann erstmals regulär für drei Jahre gewählt werden soll. Eine Person für den Vorsitz des neuen Organs sowie zwei Stellvertretende würden durch die Mitgliederversammlung gewählt und „mit besonderen Aufgaben“ betraut. Vorschläge für Kandidatinnen und Kandidaten können die Mitglieder selbst einreichen. Daraus würde dann der Aufsichtsrat einen bei der MV zur Wahl stehenden Personenkreis auswählen.
Alle diese Pläne sollen den Mitgliedern am 3. Juni im Stadion – eine digitale Teilnahme ist ebenfalls möglich – detailliert vorgestellt und auf etwaige Anpassungen diskutiert werden. Als Satzungsänderung müsste das Vorhaben dann bei der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Oktober 2025 mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden.
Es sieht danach aus, dass der SC diese ungewöhnlich kontrovers diskutierte „Baustelle“ bald schließen und mit zeitgemäßeren Strukturen die unterschiedlichen Aufgaben und Gremien besser voneinander abgrenzen kann. Die sonst über viele Jahre so erfolgreich wirkenden Verantwortlichen haben offenbar aus ihren vorwiegend kommunikativen Fehlern beim Präsidententhema gelernt, die Kritik ernst genommen und ihre Mitglieder auf breiter Basis eingebunden. Läuft alles so weiter wie geplant, dürfte es beim Sport-Club vorerst keine turbulente Mitgliederversammlung mehr geben.