War es Xabi Alonsos Fehler, beim Leverkusener 0:0 in Wolfsburg so lange auf Florian Wirtz zu verzichten? Wohl und Wehe dieser Maßnahme, die infrage gestellt wurde, hingen am seidenen Faden.
Leverkusenes Topstar und Frimpong drehen als Joker auf
Die richtige Entscheidungsfindung hätte gereicht. Hätte, ja, hätte Jeremie Frimpong bei dem Leverkusener Konter in der 82. Minute den Ball nicht noch einmal mitgenommen, sondern einen Kontakt früher quer zu dem frei mitlaufenden Florian Wirtz vor das Wolfsburger Tor gespielt, wäre der Plan, wenn Bayers Topstar erwartungsgemäß eiskalt vollstreckt hätte, voll aufgegangen. Doch so verpasste der Niederländer der richtigen Moment für das Abspiel und wurde von VfL-Verteidiger Denis Vavro geblockt. Es blieb beim 0:0.
Ein Ergebnis, das gerecht war. Weil Bayer erst in der Schlussphase nach der Einwechslung von Wirtz und Frimpong endlich Offensivpower entwickelte. Ein Ergebnis, das Bayers Chancen im Titelrennen vor dem Gipfeltreffen mit dem FC Bayern München am kommenden Samstag (18.30 Uhr) in der BayArena aber bei jetzt wieder acht Punkten Rückstand erheblich gemindert hat.
Und angesichts dieser vermeintlich verspielten Titelchance konnte man natürlich die Frage stellen, ob Xabi Alonsos Entscheidung, Topstar Wirtz nach der Pokal-Schlacht am Mittwoch gegen den 1. FC Köln zu schonen, die Bayer nur mit höchster Kraftanstrengung in der Verlängerung mit 3:2 Toren für sich entschieden hatte, die richtige war.
„Nach dem Spiel zu analysieren, ist sehr einfach. Aber es ist meine Arbeit vor dem Spiel Entscheidungen zu treffen“, beantwortete Leverkusens Trainer die Frage am Sky-Mikrophon, ob es im Nachhinein glücklich gewesen sei, anfangs auf den Ausnahmespieler zu verzichten, „ich bereue es nicht.“
Xabi Alonso ging es nicht um Selbstverwirklichung
Weil die Entscheidung nichts mit egoistischer Selbstverwirklichung des Basken zu tun hatte, sondern mit der körperlichen (Über-)Belastung des 21-Jährigen in den zurückliegenden englischen Wochen. „Ich möchte Flo immer auf dem Platz haben, aber man muss auch verstehen, dass er sich erholen möchte“, erklärte Xabi Alonso, „sein Impact in der zweiten Hälfte war gut. Das war mehr oder weniger der Plan.“
Der womöglich auch aufgegangen wäre, hätte Frimpong in jener 82. Minute eben eine andere Entscheidung getroffen. Ganz der Theorie von Edward Lorenz folgend, dass ein Schmetterling mit einem Flügelschlag in Brasilien die Atmosphäre beeinflussen und damit zu einem Wirbelsturm in Texas beitragen kann. Diesen Schmetterlingseffekt erlebten Xabi Alonso und Bayer in jener 82. Minute in Wolfsburg.
„Wir müssen auch bei Florian gucken, dass er auch mal ein bisschen Luft holen kann.“ (Simon Rolfes)
Offenbar bestand die Gefahr, dass Wirtz zu sehr belastet würde und damit einem deutlich erhöhtem Verletzungsrisiko ausgesetzt gewesen wäre. Dies deutete zumindest Simon Rolfes mehr als an: „Wir müssen auch bei Florian und den anderen Jungs im vorderen Bereich gucken, dass sie auch mal ein bisschen Luft holen können, um wieder top zu sein. Flo hätten wir am liebsten immer auf dem Platz. Doch das ist bei so vielen Spielen immer mal schwierig“, argumentierte der Geschäftsführer und beurteilte Xabi Alonsos Maßnahme eindeutig: „Ich glaube, dass es bei Florian nach dem Pokalspiel das Richtige war. Und er hat ja auch gezeigt, dass er 30 Minuten lang auch noch mal einen richtig großen Einfluss auf unser Spiel haben konnte.“
Diesen Effekt hob Rolfes auch auf die Frage nach den acht (!) Veränderungen in der Startelf hervor. Dass Xabi Alonso dadurch nicht nur auf Ideengeber Wirtz, sondern neben der gesperrten Kreativkraft Alejandro Grimaldo auf der linken Seite auch auf die rechte Flügel-Waffe Frimpong verzichtete, konnte der Double-Gewinner offensiv nicht kompensieren.
„Auch bei weniger Veränderungen in der Startelf wäre es ein Spiel gewesen, in das man sich reinarbeiten musste. Nach dem Pokalspiel musst du erstmal versuchen, das Spiel in deine Richtung zu drehen“, erklärte der Ex-Profi, „ich glaube nicht, dass es ohne die Veränderungen ein anders Spiel geworden wäre. Sondern man hat gesehen, dass wir nachlegen konnten, wenn der Gegner nachlässt, und dass das fast noch zum Ziel geführt hätte.“
„So ehrlich müssen wir sein. Auch wenn wir so einen guten Kader haben, kann man keinen Flo ersetzen.“ (Roabert Andrich)
Auch wenn es mit Wirtz und Frimpong von Beginn an natürlich ein anderes Spiel geworden wäre, wie Mittelfeldakteur Robert Andrich („So ehrlich müssen wir sein. Auch wenn wir so einen guten Kader haben, kann man keinen Flo ersetzen“) einräumte, lag Rolfes grundsätzlich richtig. Wies dieser doch auch darauf hin, dass Wirtz als Joker von der zuvor intensiven Partie profitierte.
„Es war auch so, dass mehr Freiräume im Laufe des Spiels entstehen als am Anfang. Deswegen war es eine gute Maßnahme. Es hat ja nicht viel gefehlt, dann wäre es zumindest zum Elfmeter gekommen.“ Womit der43-Jährige auf ein Foul an Wirtz im Strafraum anspielte, das wegen einer vorangegangenen Abseitsposition von Nordi Mukiele zurecht keinen Strafstoß nach sich zog.
Xabi Alonsos Move ging wiederholt auf – einmal sogar in Wolfsburg
Am Samstag ging Xabi Alonsos Schachzug mit Wirtz nicht auf, den er schon wiederholt erfolgreich angewendet hatte. Sogar schon einmal an derselben Stelle. So hatte der Spanier in der Double-Saison Wirtz in der 60. Minute beim Stand von 1:1 in Wolfsburg eingewechselt und dieser dann mit einer guten Leistung ganz entscheidenden Anteil am 2:1-Sieg. Damals wurde Xabi Alonso für diese Move gefeiert, jetzt infrage gestellt. Nur wegen eines einzigen Flügelschlags …