Florian Wirtz war DAS Transferziel des FC Bayern für diesen Sommer. Nun sieht alles danach aus, dass der 22-Jährige zum FC Liverpool geht. Eine Niederlage auf dem Transfermarkt, die für den FCB keine bleiben muss.
Prestige, System, Kader
Intern hieß es schon Mitte der vergangene Woche beim FC Bayern, eine Absage von Florian Wirtz „würde uns schwer treffen“. Längst hatte zu diesem Zeitpunkt leichter Pessimismus die Zuversicht abgelöst, diesen feinen Fußballer von Bayer Leverkusen für sich gewinnen zu können. Daraus wird nun nichts, sofern sich Leverkusen und der FC Liverpool auf einen Transfer verständigen können, Wirtz zieht es in die Premier League.
Der Gedanke hatte nicht nur beim FC Bayern seinen Reiz: Wirtz neben Jamal Musiala und damit die beiden besten deutschen Fußballer im Kreativzentrum vereint. Dazu Michael Olise und vorne Harry Kane, die gegnerischen Abwehrreihen hätten gar nicht mehr gewusst, um wen sie sich zuerst kümmern sollen. Und natürlich ging es auch ums Prestige, der FC Bayern hat seit jeher gerne die besten deutschen Spieler oder die aus der Bundesliga in seinen Reihen.
Die Zeiten haben sich jedoch geändert, wie die Beispiele Kai Havertz (2020 zum FC Chelsea), Erling Haaland (2022 zu Manchester City) oder Jude Bellingham (2023 zu Real Madrid) in den vergangenen Jahren bewiesen haben. Der Automatismus eines Wechsels zum FC Bayern wie früher bei überragenden Akteuren wie Lothar Matthäus, Michael Ballack oder Robert Lewandowski besteht nicht mehr.
Mit dem gesparten Geld andere Baustellen schließen
In einer längst globalisierten Welt gleicht der Sprung ins Ausland keinem Abenteuer mehr, die Rundumversorgung durch die Klubs ist garantiert, der Privatjet steht für Trips in die Heimat bereit. Ob der FC Bayern durch die Niederlage im Werben um Wirtz international an Prestige und Image einbüßt? Einerlei, darum geht es am Ende nicht.
Vielmehr bietet eine Zukunft ohne Wirtz auch eine Chance. Mit ihm hätte Trainer Vincent Kompany ziemlich sicher das System umstellen müssen, weil sowohl Wirtz als auch Musiala am liebsten aus dem Zentrum agieren. Statt Doppelzehn kann er nun im bewährten 4-2-3-1 bleiben. Und seine Chefs können mit dem gesparten Geld an anderer Stelle investieren.
Mit bis zu 150 Millionen Euro an Ablöse, dem Gehalt für einen Fünfjahresvertrag und Beraterprovision hätte der Transfer nicht viel weniger als 300 Millionen Euro gekostet. Der FCB war dazu bereit, dafür die Hausbank sprichwörtlich zu plündern. Vielleicht wird es in der Rückschau ja besser sein, hier nicht zum „all-in“ gezwungen gewesen zu sein.
Schwachstellen hat der Kader nämlich genügend. Kompanys Bosse können nun einen zweiten offensiven Außenbahnspieler der Klasse von Olise verpflichten, um den Umbruch auf dieser Position zu forcieren. Sie können in einen Back-up für Kane investieren. Vielleicht sogar einen jungen, der den Engländer irgendwann beerbt.
Und sie können, ja müssen ihre Defensive aufpäppeln, idealerweise innen wie außen. Die Zusage von Jonathan Tah ebenfalls am Freitag ist ein erster, sinnvoller Schritt. Der 29-Jährige hat seine Klasse in den vergangenen beiden Jahren nachhaltig nachgewiesen, er bringt Führungsqualitäten mit und könnte der lange gesuchte Abwehrboss werden.
Ganz nebenbei: Tah kommt ebenso ablösefrei wie Talent Tom Bischof, den Bundestrainer Julian Nagelsmann nun erstmals in die Nationalmannschaft berufen hat. Für schlaue Transfers braucht es nicht immer horrende Ablösen. So schön aus Sicht der Bayern Wirtz in ihrem Trikot gewesen wäre, der Ball rollt auch ohne ihn an der Säbener Straße weiter.