Leroy Sané sieht seine Zukunft beim FC Bayern. Dafür braucht es aber noch mehr Eigenwerbung.
Bleibt der Nationalspieler bei Bayern?
Fair ist das vielleicht nicht, Spieler immer mit anderen Spielern oder vor allem mit sich selbst zu vergleichen. Aber manchmal geht es gar nicht anders, weil man ja weiß, was mal möglich war oder was grundsätzlich möglich ist. Also vergleicht man sie immer wieder. So lange, bis es irgendwie passt.
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Bei Leroy Sané ist das zum Beispiel so. Jeder Fußball-Zuseher hat in den vergangenen zehn Jahren – so lange ist Sané ja schon Fußball-Profi – gesehen, zu welchen Leistungen dieser Spieler grundsätzlich in der Lage ist. Man müsste für einen dieser Vergleiche auch gar nicht zehn Jahre zurückgehen, es reichen schon zehn bis vierzehn Monate.
An der Seite von 100 Millionen-Euro-Zugang Harry Kane spielte Sané in der Hinrunde der Vorsaison groß auf, legte dem Engländer Tore auf und ließ sich vom Engländer Tore auflegen. Acht Treffer und acht Assists bilanzierte Sané nach einem brillanten Halbjahr Bundesliga, immer wieder verfiel dessen Trainer Thomas Tuchel in berechtigte Lobeshymnen.
„Ja.“ (Sané auf die Frage, ob er bei Bayern bleiben möchte)
Der Rest ist so weit auch bekannt. Sané konnte nach dem Jahreswechsel nicht mehr an seine Hinrunden-Leistungen anknüpfen, auch geplagt von Schambein-Problemen, die ihn zeitweise so sehr belasteten, dass er während der Halbzeitpause des Halbfinal-Hinspiels in der Königsklasse gegen Real Madrid nicht mal mehr mit in die Kabine ging, um den Körper auf Temperatur zu halten und keine Schmerzen zuzulassen.
Er schleppte sich zur Heim-EM, war davon überzeugt, dass die Verletzung weitgehend auskuriert war und enttäuschte. Nach der Operation im Sommer brauchte Sané Anlaufzeit, meldete sich als Joker erstmals unter seinem ehemaligen Mitspieler und jetzigen Trainer Vincent Kompany beim FC Bayern zurück. Richtig glücklich verlief das nicht so oft.
Sané: Schöne Tore, aber auch schön unbeständig
Sané erzielte ein schönes Tor beim 9:2 gegen Zagreb, ein schönes Tor beim 5:0 in Bochum, ein schönes Tor beim 4:0-Pokalerfolg in Mainz und lieferte zum Beispiel einen entscheidenden Impuls beim wichtigen 1:0-Sieg gegen Benfica in der Champions League. Ansonsten aber blieb der Nationalspieler weit unter seinen Möglichkeiten, verzettelte sich häufig, traf falsche Entscheidungen und hinterließ insgesamt einen unglücklichen Eindruck.
Während Kingsley Coman eine kurze Hochphase erlebte und Sommer-Zugang Michael Olise einige Scorerpunkte sammelte, fiel Sané ein bisschen vom Radar. Und selbst dann, als er aufgrund der Ausfälle der anderen immer spielte, blieb der Ertrag mindestens mal überschaubar. Auch wenn man Sané den Ehrgeiz und Fleiß nie absprechen durfte. Doch das ist Fluch und Segen zugleich für diesen begabten Fußballspieler: er ist so verbissen, dass er sich selbst dafür bestraft, wenn eine Aktion nicht gelingt.
So sah es phasenweise auch am Freitagabend aus, 5:1 der Bayern gegen Leipzig. Jamal Musiala traf mal wieder, Michael Olise legte gleich zweimal auf, und sogar Konrad Laimer und Joshua Kimmich mischten sich unter die Torschützen. Nur Sané rannte an und schoss daneben, passte beim Konter nach rechts zu Olise, statt auf der linken Seite mit Alphonso Davies die bessere Lösung zu wählen. Aber er kämpfte, holte verlorene Bälle zurück, blieb im Spiel. Und belohnte sich doch noch.
Nachdem er RB-Keeper Peter Gulacsi endlich überwunden hatte, brüllte Sané die Freude und Erleichterung regelrecht aus sich heraus, fiel dem Ersatzspieler Thomas Müller beim Aufwärmen in die Arme. Emotionen, die man gar nicht so oft sieht vom sonst eher nüchternen Sané. „Was heißt Befreiungsschlag?“, fragte Sané später im TV-Interview auf die Frage zurück, ob er dieses Tor eben als Befreiungsschlag werte. „Ich bin einfach froh, dass ich ein Tor gemacht habe; dass ich eine gute Leistung gezeigt habe; dass ich der Mannschaft helfen konnte. Im Endeffekt geht es darum, dass wir diese Spiele gewinnen.“
Stimmt ja auch. Und trotzdem hatte dieses Tor ein anderes Gewicht als jenes zum 1:2 in Mainz vor einer Woche, als er einen Abpraller im leeren Kasten untergebracht hatte. Zu spät, wohlgemerkt.
Zu spät ist es übrigens noch nicht für Sané, den im Sommer auslaufenden Vertrag beim FC Bayern zu verlängern. Er selbst antwortete am Freitag kurz, aber eindeutig mit „Ja“ auf die Frage, ob er in München bleiben möchte. Nur entscheidet der Spieler das natürlich selten allein.
Eberl: „Die Jungs wissen, wie der Stand der Dinge ist“
Im internen Ranking genießen die anstehenden Vertragsverlängerungen mit Joshua Kimmich und Alphonso Davies (beide laufen ebenfalls 2025 aus) nach wie vor Priorität beim FC Bayern. Auch Jamal Musiala (Vertrag bis 2026) steht auf dieser nicht ausformulierten Liste über Sané, den Präsident Herbert Hainer neulich bei der Jahreshauptversammlung (vielleicht unbeabsichtigt) unerwähnt gelassen hatte.
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Denn so gut Sanés Leistung gegen Leipzig auch war, sie sollte gemessen an Möglichkeiten und Verdienst keine Ausnahme, sondern die Regel sein. „Wir werden im Januar reden“, meinte Max Eberl am Freitag, „Wir haben uns viele Gedanken gemacht und auch mit Leroy gesprochen. Die Jungs wissen, wie der Stand der Dinge ist.“
Stand ist, dass Sané in der Rückrunde beständig liefern muss, um sich den Wunsch einer Vertragsverlängerung beim FC Bayern zu erfüllen. Gemessen wird er nicht an einem insgesamt unbefriedigenden Halbjahr, sondern an Auftritten wie am Freitag. Aber das kennt er ja.