„Das wird alles kommen“: Warum Bellingham bisher wenig spielt

Jobe Bellingham spielt bei Borussia Dortmund noch nicht die Rolle, die er sich erhofft hat. Trainer Niko Kovac bremst, erklärt und rechnet.

Dortmunds Königstransfer braucht Geduld

14 Minuten waren es am Sonntag, dazu ein bisschen Nachspielzeit. Sieben Ballkontakte, zwei Sprints und ein Zweikampf drücken in Zahlen aus, dass Jobe Bellingham auch beim Sieg gegen den VfL Wolfsburg dem Dortmunder Spiel wenig geben konnte.

Zugegebenermaßen: In der letzten Viertelstunde ging es vor allem darum, den Sieg über die Zeit zu bringen, dort Räume zulaufen, hier ein bisschen Entlastung. Keine Ausgangslage, um als Einwechselspieler groß zu glänzen.

Es waren die Minuten 207 bis 221 von 540 möglichen aus den bisherigen sechs Dortmunder Pflichtspielen seit dem echten Saisonstart, also ohne den Lückenfüller Klub-WM. Aufgerundet 41 Prozent der möglichen Einsatzzeit stand der junge Brite bisher also auf dem Platz. Nicht schlecht, könnte das Urteil lauten, für einen 20-Jährigen, der gerade erst aus der englischen Championship kam und zuvor noch keine Erstliga-Erfahrung gesammelt hatte.

Der vielversprechende Nachname

Der Blick auf Jobe, wie es auf seinem Trikot steht, ist aber eher der auf den BVB-Königstransfer des Sommers, den 30-Millionen-Mann, den Hoffnungsträger mit dem vielversprechenden Nachnamen. Nach soliden Auftritten bei der Klub-WM in den USA kämpft der Mittelfeldspieler in seiner Anfangszeit in Dortmund mit seiner Rolle, den Erwartungen und der Umstellung. Deutete er gegen Union Berlin mit viel Präsenz im Zentrum einmal an, was er kann, blieb er in den anderen Partien eher blass.

Die Folge: Im ohnehin dicht besiedelten Dortmunder Herzen bleibt auf der Doppel-Sechs derzeit nur die Rolle als Einwechselspieler. Zuletzt überzeugten hier Marcel Sabitzer und Felix Nmecha, auch Pascal Groß saß zuletzt zweimal auf der Bank, Carney Chukwuemeka würde gerne häufiger sein Können zeigen und auch dem offensiveren Julian Brandt blieb oft nur ein Joker-Einsatz.

„Jeder möchte mehr spielen. Jeder möchte alles spielen. Aber dann braucht man nur elf Spieler“, sagt also Niko Kovac, angesprochen auf seinen selbstbewussten Jung-Profi aus England. Für den Trainer war früh klar, dass er im Mittelfeld-Zentrum auch unangenehme Entscheidungen treffen muss, den Konkurrenzkampf hat er explizit gefördert und er findet, dass seine Profis damit umgehen müssen: „Wenn man hier einen Vertrag unterschreibt, ist der nicht nur gut dotiert, sondern er sagt auch, dass es verdammt viel Konkurrenz gibt.“

„Schon ein Sprung“

Und in diesem Umfeld reicht es aktuell eben nicht für mehr. „Jobe ist ein sehr talentierter Spieler“, sagt Kovac, aber einer, „der natürlich aus der 2. Liga Englands kommt“. Ein Spieler, „der ein hohes Potenzial mitbringt, aber auch ein Spieler, der auch hier natürlich reinwachsen muss“. Denn der Unterschied zwischen dem AFC Sunderland und Borussia Dortmund, das sei „schon ein Sprung“.

Kovac lobt („Ich bin mit seiner Entwicklung zufrieden“), Kovac wägt ab („Er hat bisher in jedem Spiel Minuten bekommen“), Kovac argumentiert („Wir haben so viele Nationalspieler“), und unterm Strich wird klar, dass Bellingham wohl Geduld benötigt. „Man darf nicht den Fehler machen, zu viel Druck auszuüben, trotz des Namens“, sagt der Coach: „Ich glaube, damit tut man dem Jungen keinen Gefallen und damit tut der Junge sich keinen Gefallen.“

Emotionale Diskussion am Millerntor

Denn die Unruhe über die Einsatzzeiten kommt weniger aus dem Dortmunder Umfeld, sondern eher aus dem von Bellingham. Bereits nach dem zweiten Pflichtspiel beim FC St. Pauli und einer Auswechslung Jobes zur Pause stand dessen Vater und Berater Mark in den Katakomben des Millerntors und diskutierte emotional mit Sportdirektor Sebastian Kehl.

Es ist eine Personalie mit Konfliktpotenzial, eine, die den BVB möglicherweise noch ein paar Monate begleiten wird. Denn Kovac bremst die Erwartungen an den Youngster auffällig. „Wir können nicht erwarten, dass ein Spieler innerhalb von zwei Monaten schon alles intus hat, was ich will“, erläuterte er zuletzt: „Das ist ein Prozess.“

Aus seiner Erfahrung benötigten „junge Spieler immer mal wieder bis zum halben Jahr“, auch wenn das explizit nicht heißen sollte, dass diese Rechnung auch für Bellingham gelte: „Ich bin davon überzeugt, dass es schneller geht.“ Und mittelfristig, ist sich der Coach sicher, werde das ohnehin kein Thema mehr sein: „Das wird alles kommen, davon sind wir überzeugt.“

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