Der Wittmann-Bann: Wenn sich Geschichte wiederholt

Die TSG Hoffenheim hat Spielerberater Roger Wittmann offenbar mit einem Stadionverbot belegt. Das ist ein nachvollziehbarer wie auch heikler Schritt. Ein Blick auf die Machtverhältnisse im Kraichgau.

Ein Blick auf die Machtverhältnisse bei der TSG

Geschichte wiederholt sich, das ist ein altbekanntes Sprichwort und könnte kaum besser passen auf die an diesem Wochenende stattfindende offizielle Saisoneröffnung der TSG Hoffenheim. Denn der Bundesligist, der gerade erst mit der Erteilung eines Hausverbots für den bekannten Spielerberater Roger Wittmann Schlagzeilen schrieb, empfängt am Samstag (16.30 Uhr, LIVE! bei kicker.de) den FC Metz zum finalen Härtetest vor dem DFB-Pokal-Duell bei Hansa Rostock. Und manchmal schreibt das Schicksal nun wirklich witzige Geschichten.

Metz-Nachwuchschef verbannte Rogon aus dem NLZ

Denn ausgerechnet zwischen Metz, der TSG und Wittmanns Agentur Rogon gibt es eine brisante Vorgeschichte. Im Sommer 2023 stellte FCM-Nachwuchschef Francis de Taddeo die Talente des französischen Erstligisten vor die Wahl: Entweder sie würden sich von Rogon trennen oder das hiesige Nachwuchsleistungszentrum stünde ihnen nicht mehr offen. Lange hatte sich de Taddeo über ablösefreie oder günstige Transfers von Nachwuchskräften, die Rogon betreut hatte, geärgert, darunter Kiliann Sildillia (2020 zum SC Freiburg), William Mikelbrencis (2022 zum Hamburger SV) und Mathieu Kambala (2021 zur TSG). Das Fass zum Überlaufen brachte wohl der Weggang von Simon Kalambayi 2023 zur zweiten Hoffenheimer Mannschaft – zum Nulltarif, wohlgemerkt.

Seit zwei Jahren also ist Wittmann in Metz nicht mehr wohlgelitten und offenkundig nun auch in Hoffenheim nicht mehr, wo man sich bereits im April von dessen Agentur distanzierte. Stellt sich die Frage, wie nachhaltig diese Entscheidungen sein können. Die Bild-Zeitung hatte nach der exklusiven Meldung des kicker eine angeblich avisierte Machtübernahme durch Wittmann gerüchteweise ins Spiel gebracht, die sich gegen die beiden Hoffenheimer Geschäftsführer Dr. Markus Schütz und Frank Briel gerichtet haben soll. Die wiederum sollen den Rückhalt von Vereinspräsident Jörg Albrecht haben, der auf dem Papier qua 50+1-Regel das Sagen hat.

Die 80-Millionen-Spritze zeigt: Es geht nicht ohne Hopps Zutun

Ob das auch bei Dietmar Hopp, der Wittmann einst als Freund bezeichnet hat, der Fall ist? Nach wie vor gilt: Ohne das Zutun des Milliardärs geht es nicht im Kraichgau, das hat einmal mehr die 80-Millionen-Euro-Finanzspritze im Vorjahr demonstriert, die Hopp allerdings erst nach dem Rauswurf von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen zu geben bereit war. Pikant: In der darauffolgenden Transferperiode agierte die TSG ziemlich chaotisch. Zu den bis dato am wenigsten einleuchtenden Transfers dieser Phase gehörten: Der Kauf von Erencan Yardimci, Rogon-Klient, der bis dato zweimal verliehen wurde. Und die Verpflichtung von Haris Tabakovic, obgleich man mit Max Moerstedt ein deckungsgleiches Stürmerprofil im Kader hatte. Der Tabakovic-Deal half vor allem dessen Ex-Klub Hertha BSC finanziell, Rogon soll involviert gewesen sein. Mittlerweile wurde der Angreifer zu Borussia Mönchengladbach verliehen – und hat sich der Agentur Rogon angeschlossen.

Doch raus aus diesem Exkurs und hinein in die aktuelle Lage und da sieht es so aus, dass Hopp nach wie vor Geschäftspartner Wittmanns ist bei dessen Rogon-Technologies-GmbH, die eine KI-Scouting-App namens Cuju betreibt. Es handelt sich um eine Millioneninvestition, Hopp hält knapp 20 Prozent an der Firma. Auch die milliardenschwere Schwarz-Gruppe, die wiederum über ihre Tochter Pre Zero Namensgeber der TSG-Spielstätte ist, ist mit 25 Prozent beteiligt. Die Wege in der Metropolregion Rhein-Neckar sind kurz. Tüpfelchen auf dem i in diesem Beziehungsgeflecht: Wittmann ist, anders als vom Boulevard berichtet, zwar kein direkter Mieter einer Loge in der Sinsheimer Arena, allerdings ist er Untermieter bei einem Logen-Inhaber. Womöglich führt das noch zu kontrovers-ulkigen Situationen am Einlass. Klar ist aber auch: Die Hoffenheimer Spielbetriebs-GmbH, an deren Spitze Schütz, Briel, Sportgeschäftsführer Andreas Schicker und Marketing-Geschäftsführer Tim Jost stehen, hat das Hausrecht.

Noch vor einigen Monaten hieß es: Alles ganz normal mit Rogon

Nichtsdestotrotz darf man gespannt sein, ob das Hausverbot für Wittmann in Bälde zu neuerlicher Unruhe führen wird. Noch vor einigen Monaten hatte Schütz die Beziehungen zu der Agentur als ganz normal bezeichnet. Obwohl es mehrere Enthüllungen zum Rogon-Einfluss im Klub gegeben hatte und die Agentur in die diversen internationalen Projekte Hopps beim Barra Futebol Clube in Brasilien und bei Academico de Viseu in Portugal zumindest informell eingebunden war.

Dass neben Wittmann auch Dirk Mack, der für Hopps Firma Hobra die Projekte in Südamerika und auf der iberischen Halbinsel betreut, ebenfalls nicht mehr wohlgelitten sein soll bei der TSG, ist spannend. Genauso spannend wie eine andere Personalie, die die Hoffenheimer am Freitag verkündeten: Man berief Prof. Dr. Jan Mayer von seinen Geschäftsführerposten bei der Akademie GmbH, wo nun Briel übernimmt, und bei der Reha-GmbH, die künftig Schicker steuert, ab. Beide Töchter gehören mehrheitlich der Hoffenheimer Spielbetriebs-GmbH.

Der Zeitpunkt von Mayers Abberufung dürfte kein Zufall sein

Mayer wurde zum 31. Oktober 2024 bereits als Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH abkommandiert, offiziell gab er das Amt sogar selbst ab. Das Research-Lab, ein sportwissenschaftliches Vorzeigeprojekt, sollte er weiter betreuen, ebenso das Thema Internationalisierung. Also genau den Bereich, in dem es Überschneidungen mit Mack und den Hobra-Klubs Barra und Viseu gab. Dass man Mayer nun just zu dem Zeitpunkt der schweren Geschütze gegen Wittmann und Mack aus Akademie- und Reha-GmbH abberief, dürfte alles andere als Zufall sein.

Über alldem schwebt, sozusagen als Damoklesschwert, die Frage nach dem sportlichen Erfolg. Zumal Rogon mit Fisnik Asllani, der kürzlich noch seinen Vertrag in Hoffenheim verlängerte, Tim Lemperle, Umut Tohumcu und über eine brasilianische Partneragentur Arthur Chaves vier Profis aus dem aktuellen TSG-Kader vertritt. Misslingt der Saisonstart, droht der Wittmann-Bann zum Bumerang zu werden. Dann könnte eine Interpretation von Karl Marx mit Blick auf die Wiederkehr historischer Ereignisse greifen: Geschichte wiederholt sich – zuerst als Tragödie, dann als Farce.

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