Wohin man blickt: Feuer. Am zweiten Tag des zweiten Trainingslagers des 1. FC Heidenheim in der Nähe Innsbrucks geht’s beim Vormittagstraining heiß her. Nicht wegen der brisanten Entwicklung auf der Torhüterposition in den vergangenen Tagen – Trainer Frank Schmidt und sein Stab fordern Intensität ein und bekommen sie auch.
Keine Spuren vom Torhüter-Krach
Aus Heidenheims Trainingslager in Innsbruck berichtet Chris Biechele
Höchsttempo ist somit auf dem Gelände des FC Raika Volders angesagt, sei es beim Passen, Dribbeln, Verschieben oder Schießen – lautstark untermalt von Frank Schmidt, der die diversen Spielformen auf engem Raum lobend, anfeuernd und auch mal schimpfend höchst aktiv anleitet.
Und da alle unterschiedlichen Aufgabenstellungen stets in Wettkampfform ausgetragen werden, geht’s auch sonst lautstark zu, jedes Tor, jeder Punkt ruft eine entsprechende Reaktion hervor. Mal feixt das Team mit den gelben Laiberl, mal klatscht sich das andere ab. Und nur wenige Meter entfernt lässt der seit Jahrzehnten für den FCH als Torwarttrainer tätige Bernd Weng seine „Mannen“ im Sekundentakt nach Bällen hechten und fliegen.
Normalität im Torwarttraining
Und an der Szenerie ändert sich auch nichts Grundlegende, als zum Ende der Einheit auf eng zusammengestellte große Tore die Keeper miteingebunden waren. Normaler Trainingsalltag eben. Und wenn man dabei Kevin Müller genau auf die Handschuhe schaut und sieht, wie er nach Paraden die Fäuste ballt und schimpfend Bälle aus dem Netz holt, würde man nicht auf die Idee kommen, dass zwischen dem FCH und seinem langjährigen Stammkeeper dicke Luft herrscht.
Wobei herrscht, nicht ganz zutreffend ist, auch wenn das einst von großem gegenseitigen Respekt Verhältnis in seinen Grundfesten erschüttert ist. Aber, es ist alles gesagt und nichts mehr hinzuzufügen, Normalität ist angesagt, nachdem sich in den Tagen vor der Abfahrt beide heftig widersprachen, was einen möglichen USA-Wechsel des 34-Jährigen anbelangt.
Er, ein bekennender Fan des Landes der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, stellt es als fiktives Gedankenspiel der Marke „was wäre wenn“ dar, der FCH indes spricht von einem konkreten Wechselwunsch.
Letztlich einerlei, ohne Wenn und Aber bleibt nunmehr der Fakt übrig, dass die Verantwortlichen des FCH eine sportliche Entscheidung getroffen haben. Und die lautet, den vom BVB ausgeliehenen Diant Ramaj zur Nummer 1 zu küren.
Ramaj ist die Nummer 1, das Leistungsprinzip zählt trotzdem
Ein Umstand, für den sie sich zum Teil heftige Kritik anhören mussten: Wie kann man nur den Leistungsgedanken derart ad absurdum führen? Das kann man zwar so sehen, andererseits wäre es wirklich besser gewesen, von einem offenen Zweikampf zu reden, bei dem jeden klar gewesen wäre, dass es ihn nicht geben wird. Die Dortmunder, die Ramaj eigentlich an einen international spielenden Klub verleihen wollte, hätten den 23-Jährigen doch nicht auf die Ostalb gehen lassen, wenn er nicht die klare Aussicht hat, dort zu spielen. Dies zumal vor dem Hintergrund, dass Ramaj zuletzt beim FC Kopenhagen das Double holte.
Hätten Vorstandsboss Holger Sanwald und Schmidt also ein offenes Duell propagiert, hätte man ihnen das als Heuchelei auslegen können – zu Recht übrigens. Dies bedeutet allerdings aber auch nicht, dass beim Heidenheimer Eigengewächs Ramaj nun das Leistungsprinzip ausgesetzt ist, Status Nummer 1 hin, Bonus her. Hält er über mehrere Spiele schlecht, wird es das mit dem Stammplatz gewesen sein – zumal ihm mit Müller ein starker Keeper im Nacken sitzt.
Müller steht auf der Grazer Wunschliste nicht ganz oben
Dass sich der 34-Jährige in den Schmollwinkel zurückzieht, ist ausgeschlossen – er wird weiter unverdrossen Vollgas geben. Fraglich ist indes ein Stück weit sein weiterer Verbleib, der österreichische Meister Sturm Graz hat ihn nämlich auf dem Zettel.
Auf diesem steht allerdings Oliver Christensen vom AC Florenz ganz oben, sollten die bereits aufgenommenen Verhandlungen jedoch im Sande verlaufen, rückt Müller an die erste Stelle. Die Grazer sind auf eine Leihe bis zur Winterpause aus, denn dann kehrt der verletzte Daniil Khudyakov zurück.
Was unabhängig davon fraglich ist und sich erst in den nächsten Monaten erweisen wird: Ob der FCH mit seiner Entscheidung in der Torhüter-Causa richtig oder falsch liegt. Aktuell ist indes kein Sieger auszumachen. Das Gegenteil ist der Fall.