Hjulmand und ein Hauch von Xabi Alonso

Bei seiner ersten Pressekonferenz als Trainer von Bayer 04 präsentierte sich Kasper Hjulmand eloquent, authentisch und souverän. Der Däne wirkt wie der Gegenentwurf zu seinem nach zwei Spieltagen beurlaubten Vorgänger Erik ten Hag.

Neuer Bayer-Trainer sorgt für Kontrastprogramm

Eigentlich sind die Pressekonferenzen, in denen Trainer vorgestellt werden, immer irgendwie gleich. Der Neue spricht über Ziele, seinen präferierten Spielstil, seine Art und Weise, eine Mannschaft zu führen, und natürlich über die Beweggründe, warum er sich für genau diesen Klub entschieden hat. Der eine macht das rhetorisch feiner, der andere etwas spröder – was aber alles am Ende nichts über den Erfolg seiner Mission aussagt.

Doch auch wenn sich die Abläufe wiederholen, hätte der Kontrast kaum größer sein können, den Kasper Hjulmand am Mittwoch zu den Eindrücken vermittelte, die sein Vorgänger Erik ten Hag im Mai an selber Stelle vermittelt hatte. Der 53-jährige Däne präsentierte sich als totaler Gegenentwurf des bereits nach dem 2. Spieltag beurlaubten Niederländers.

Rolfes mit Seitenhieb gegen ten Hag – dem Hjulmand seine Wertschätzung ausdrückt

Hjulmand, bis Sommer 2024 vier Jahre lang dänischer Nationaltrainer, strahlte Selbstbewusstsein und Souveränität aus. Auf natürliche Art und Weise, nicht aufgesetzt. Mit Demut. Begann seine Ausführungen in bestem Deutsch, um dann, sich für seine nicht vorhandenen Mängel in dieser Sprache entschuldigend, ins Englische zu wechseln.

Hjulmand präsentierte sich als Gentleman. So gab Geschäftsführer Simon Rolfes dem geschassten ten Hag indirekt einige kritische Worte mit, als er die Beweggründe für die Entscheidung für Hjulmand nannte. Um die Situation zu meistern, „ist es wichtig, einfach einen guten Alltag zu haben: gute Arbeit, gute Trainingsarbeit, ein gutes Miteinander, dass die Chemie stimmt. Und auch Führung der Gruppe.“ Eine ganze Handvoll Ohrfeigen für den Niederländer. Und Hjulmand? Der betonte ungefragt: „Ich habe großen Respekt vor Erik als Trainer und auch als Mensch.“

So war es ein Hauch von Xabi Alonso, der durch den Raum der Pressekonferenz wehte. Hjulmand zeigte sich als Mann mit klaren Vorstellungen, weit entfernt von Schubladendenken, der weit über den Tellerrand der 90 Minuten des Fußballs hinausblickt. Und als Mann mit Prinzipien.

So hätte Hjulmand „die große Herausforderung“ bei Bayer 04 nicht angenommen, wenn ihn die Partner des Campus-Projekts des dänischen Fußballverbandes (DBU) nicht hätten ziehen lassen. Hjulmand war an dieses Großvorhaben zwar nur als Freelancer vertraglich gebunden, doch als Mann mit Prinzipien stand es für ihn außer Frage, sich einfach abzumelden.

Hjulmand ist ein Mann mit Prinzipien: „Wenn ich etwas verspreche, tue ich es auch“

Außer in die Campus-Planung war Hjulmand auch in bedeutsame Maßnahmen zur Talententwicklung in seiner Heimat involviert. „Es ist ein riesiges Projekt, nicht nur mit Gebäuden, sondern auch mit einer Art der Denkweise, einer Art der Entwicklung des Fußballs in Dänemark“, erklärte Hjulmand, der deshalb andere Trainer-Jobs, unter anderem den als belgischer Nationaltrainer Anfang des Jahres, nicht wahrnahm. „Dieses Jahr hatte ich einige Möglichkeiten, die ich sofort abgelehnt habe, weil ich, wenn ich etwas versprochen habe, es auch tue.“

Dass dazu auch Bayer 04 in der ersten Jahreshälfte gehörte, verriet er kopfnickend auf die entsprechende Frage, stellte aber Bezug nehmend auf seine Verpflichtungen gegenüber der DBU klar: „Ich war also nie auf dem Markt.“ Ein Status, der sich Anfang des Monats geändert hatte. Wobei Hjulmand betonte, dass er für keinen anderen Klub, aus dem Projekt in Dänemark ausgestiegen wäre. „Um ehrlich zu sein, gibt es nur einen Verein, der mir das Gefühl in einer Woche geben kann“, sagte der Trainer zu seinem schnellen Entschluss, „und das ist Leverkusen.“

„Ich habe das Gefühl, dass ich ich selbst sein kann. Ich muss nicht erklären, wie ich Fußball sehe, wie ich jeden Tag arbeiten will.“ (Kasper Hjulmand)

Die Verbindung zu Bayer 04 ist über Jahre gewachsen. Über seinen früheren Mainzer Co-Trainer Keld Bordinggaard, der seit 2021 als Leiter der Trainerakademie bei Bayer 04 arbeitet. Und über Ismael Camenforte-Lopez, einem seiner früheren Assistenten bei der Nationalmannschaft, der parallel auch als Methodik-Experte für Bayer arbeitete, später unter Xabi Alonso Co-Trainer wurde und mit diesem nach Madrid wechselte.

So fängt Hjulmand in Leverkusen nicht bei Null an, sondern so, als hätte er die Klub-Philosophie fast mitgeprägt. „Ich kenne den Stil des Arbeitens, die Methodik, wie wir arbeiten. Das ist auch, wie ich arbeiten möchte“, sagt er und erklärt, dass ihm dies maximale Authentizität  ermöglicht: „Ich habe das Gefühl, dass ich ich selbst sein kann. Ich muss nicht erklären, wie ich Fußball sehe. Ich muss nicht erklären, wie ich jeden Tag arbeiten will, um meine Vorstellungen auf den Platz zu bekommen.“

„Fernando, Simon, jeder um mich herum, kennt mich. Und ich weiß, in was ich mich hineinbegebe.“ (Kasper Hjulmand)

Eingewöhnen muss sich Hjulmand nach eigenen Worten nicht. „Fernando (Carro, CEO der Bayer 04 Fußball GmbH, Anm. d. Red.), Simon, jeder, der um mich herum ist, kennt mich“, stellt der Däne mit großer Gelassenheit fest, „und ich weiß, in was ich mich hineinbegebe.

Die Basis für eine schnell erfolgreiche Zusammenarbeit sieht er demnach trotz des bevorstehenden Kaltstarts am Freitagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen Eintracht Frankfurt grundsätzlich in idealer Form gegeben. So hat Hjulmand Bayer in den vergangenen Jahren eng verfolgt, viele Spiele gesehen und die gemeinsame Ebene. „Ich konnte viel Identität in der Art, wie sie gespielt haben, erkennen. Als ich sie spielen gesehen habe, habe ich sie gespürt.“ Ein Satz, der auch von Xabi Alonso hätte stammen können.

Hjulmand hegt keine Revanchegelüste

Dass die Leidenschaft für das Spiel in ihm brodelt, steht außer Frage. „Ich liebe Fußball, ich liebe das Spiel und ich vermisse die Arbeit auf dem Platz“, sagt er. Revanchegelüste nach seinem ersten Bundesliga-Gastspiel in der Saison 2014/15, als er in Mainz nach dem 21. Spieltag und nur 22 Punkten entlassen wurde, hegt er nicht.

Auch wenn Hjulmand weiß, dass diese mehr als zehn Jahre alte Geschichte schnell wieder ausgepackt wird, wenn es bei Bayer 04 für ihn nicht laufen sollte, vermittelt er den Eindruck, komplett in sich zu ruhen. So erklärt er seine Entscheidung pro Leverkusen mit einer ganz anderen Motivation.

„Fußball ist meine Leidenschaft, mein Drive. Ich tue nichts, um etwas zu beweisen.“ (Kasper Hjulmand)

„Ich tue das, weil ich das Gefühl habe, dass ich selbst sein kann. Ich kann mit dem Fußball arbeiten, ich versuche, alles zu gewinnen. Das ist meine Leidenschaft, das ist mein Drive“, trug er voller Hingabe vor, „ich tue nichts, um irgendjemand irgendetwas zu beweisen.“

Wie gesagt, Pressekonferenzen, bei denen neue Trainer vorgestellt werden, sind immer irgendwie gleich. Und sie geben auch nicht verlässlich darüber Aufschluss, ob die Arbeit des Neuen erfolgreich verlaufen wird. Doch die halbe Stunde, in der Kasper Hjulmand sich darlegte, befeuern zumindest die Gedanken, dass der Däne und Bayer 04 ein Match bilden könnten.

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