Er kennt die Höhen und Tiefen, die man als klubeigenes Talent auf dem Weg in die Lizenzspielermannschaft durchlaufen muss. Maximilian Mittelstädt macht den aktuell im Trainingslager anwesenden Stuttgarter Jungstars Mut.
Stuttgarts Nationalspieler weiß, wovon er spricht
Aus dem Stuttgarter Trainingslager in Rottach-Egern berichtet George Moissidis
Seit er im Sommer 2023 nach Stuttgart kam, kennt die Karriere von Maximilian Mittelstädt nur eine Richtung: nach oben. Eine Entwicklung, die weder abzusehen noch in seinen Gedanken verwurzelt war.
„Ich würde lügen, wenn ich mit der Intention gekommen wäre, direkt Vizemeister und im Jahr darauf Pokalsieger zu werden und mit der Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft 2024 teilzunehmen“, erzählt der 28-Jährige, der für eine Schnäppchen-Ablöse von rund einer halben Million Euro von Hertha BSC nach Stuttgart kam.
Ein Schnäppchen wird zum Glücksgriff
Ihm sei durchaus klar gewesen, was sich ihm da für eine Möglichkeit bieten würde. Allerdings mit aller gebotenen Demut. „Mir war schon bewusst, dass der VfB eine extreme Strahlkraft hat und es ein sehr, sehr großer Verein ist, auch wenn die vorangegangenen Jahre nicht das widergespiegelt haben, was in Stuttgart eigentlich möglich wäre“, meint Mittelstädt, der Berlin verließ, weil er das Gefühl hatte, nicht weiterzukommen. „Ich hatte natürlich schon die Hoffnung, dass wir es schaffen, unser gesamtes Potenzial auszuschöpfen. Mir war auch klar, dass es besser würde als der Abstiegskampf. Aber dass es sich so entwickelt, hätte man nicht ahnen können.“
Der Wechsel von der Spree an den Neckar war ein Glücksgriff. Für die Stuttgarter wie auch für den damals 26-Jährigen, der die Liebe der „Alten Dame“ und deren Anhänger über die Jahre zwischenzeitlich verloren hatte. „Der Wechsel hat am Ende des Tages meiner Karriere einen extremen Push gegeben. Das war die beste Entscheidung.“ Die Mittelstädt allerdings nicht voreilig, sondern nach längerer und reiflicher Überlegung traf. Einerseits, weil er an seiner Heimatstadt und seinem Ausbildungsverein hing. Andererseits, weil er seiner ins Stocken geratenen Karriere einen neuen Impuls geben wollte.
Der Unzufriedenheit den Kampf ansagen
Eine Entscheidung, die nicht aus dem erstbesten Reflex einer logischerweise immer mal wieder auftauchenden Unzufriedenheit getroffen wurde. Wovon Mittelstädt den Jungprofis von heute auch abraten würde. Jungs wie zum Beispiel Lauri Penna, Mirza Catovic, Efe Korkut oder Florian Hellstern, die aktuell mit der Lizenzspielermannschaft im Trainingslager üben, seien gut beraten, Geduld zu haben.
Was möglicherweise bei einem Klub wie Stuttgart sogar noch wichtiger als sonst ist. In der jüngeren Vergangenheit konnte sich kein VfB-Talent nachhaltig oben festspielen. Toptalente wie beispielsweise Lilian Egloff oder Laurin Ulrich suchten und bekamen ihre Chance, ohne diese nutzen zu können. Mittlerweile sind sie nicht mehr da, entweder komplett gewechselt (Egloff zum KSC) oder ausgeliehen (Ulrich nach Magdeburg). „Es ist immer schwerer, sich aus der Jugend kommend bei einem Verein durchzusetzen, als wenn man verpflichtet wird“, sagt Mittelstädt. „Das habe ich auch erleben müssen. Es ist einfach so, dass Spieler, die von anderen Vereinen geholt werden, erstmal die Nase vorn haben.“
Dagegen gebe es nur ein Mittel: Geduld, viel Geduld, im schlimmsten Fall extrem viel Geduld. Jugendspieler müssten auf dem Weg nach oben „ein paar Prozentpunkte extra rausholen, müssen noch mehr auf sich aufmerksam machen, um ihre Chance zu bekommen“. Dass dies in Stuttgart noch etwas schwerer als sonst ist, sei logisch. „Das hat wahrscheinlich verschiedenste Gründe“, sagt Mittelstädt. Neben den jüngsten Erfolgsspielzeiten sei wahrscheinlich ausschlaggebend, „dass wir eine sehr, sehr gute, eingespielte Mannschaft haben. Wir haben eine Struktur aufgebaut auf und neben dem Platz, bei der es schwer ist, Spieler aus der eigenen Jugend zu integrieren. Es ist schwierig, sich zu etablieren als junger Spieler.“
„Wir haben Jugendspieler, die das Potenzial haben, den Sprung zu schaffen.“ (Maximilian Mittelstädt)
Die Krux für alle jungen Spieler quer durch die Klubs aller Ligen. Den Jungs beim VfB gibt er den Rat, dass sie „weiter Gas geben. Wir haben ein paar Jugendspieler, die das Potenzial haben, auch mittelfristig den Sprung zu schaffen. Ich hoffe, dass wir den einen oder anderen dieses Jahr oben sehen werden.“ Die Tür werde sich automatisch für den einen oder anderen öffnen.
Allein schon, weil der VfB wieder international spielt. „Wir haben wieder viele Spiele. Die Chance ist auf jeden Fall da. Sie dürfen nur nicht den Glauben verlieren“, sagt der Nationalverteidiger. „Sie müssen noch aufmerksamer sein, müssen versuchen, sich noch mehr zu zeigen. Irgendwann wird die Chance kommen – und dann musst du sie halt nutzen. Sie kommt nicht so oft, aber sie wird kommen.“
Manchmal muss man das Glück zwingen
Letztlich ist das Motto klar: Man muss sein Glück suchen und es zwingen. „Wir wissen alle, wie schnell es im Fußball geht“, so Mittelstädt. „Wenn du als junger Spieler einmal reinkommst, dir der Ball vor die Füße fällt und du ein Tor erzielst, bist du auf einmal unverzichtbar.“