Der SC Freiburg stand nach fünf sieglosen Liga-Spielen in Serie und vor der Partie in München gegen St. Pauli unter Druck. Mit dem 2:1-Sieg erledigten die Breisgauer ihre Pflicht und schafften den passenden Partyrahmen für Christian Günter. Trainer Julian Schuster hatte aber auch etwas auszusetzen.
Freiburg macht es gegen St. Pauli unnötig spannend
Julian Schuster stellte die wichtigste Erkenntnis des Abends direkt an den Beginn seines ersten Statements in der Pressekonferenz: „Das war ein total wichtiger Sieg für uns.“ Der SC Freiburg hatte sich vor dem 2:1 gegen den FC St. Pauli nämlich in einer ambivalenten und trügerischen Gesamtlage befunden. Erst recht nach dem beachtlichen 3:1-Auswärtssieg am Donnerstag beim OGC Nizza.
Das war bereits der dritte Erfolg in der vierten Partie der aktuellen Saison in der Europa League, deren Tabelle mit 36 Teams den Sport-Club derzeit auf Platz 2 ausweist. In den Pokal-Wettbewerben läuft es top, stehen die Freiburger nach dem 3:1 in Düsseldorf vorige Woche doch auch im Achtelfinale des DFB-Pokal und haben dort Anfang Dezember im Heimspiel gegen Zweitligist Darmstadt gute Chancen auf ein abermaliges Weiterkommen.
Aber in der Bundesliga, dem so wichtigen Alltagsgeschäft, wurde es zuletzt immer ungemütlicher für das Schuster-Team, das zwar nur eins der letzten sieben Ligaspiele verloren, aber zuletzt auch fünfmal in Serie nicht gewonnen hatte. Zehn Punkte nach neun Partien, diese Ausbeute schaffte der SC in nur vier Spielen auf europäischer Bühne. Drei Punkte Vorsprung waren es vor dem Wochenende nur noch auf Relegationsplatz 16 und in München, der ersten Aufgabe nach der anstehenden Länderspielphase, sind eben keine weiteren Zähler einzuplanen.
Der Druck war vergleichsweise hoch
Für Freiburger Verhältnisse war der Erfolgsdruck also vergleichsweise hoch gegen zuletzt sechsmal unterlegene und oft desolate Kiezkicker. Daneben stand allerdings noch eine besondere Begebenheit im Raum. Schuster versicherte zwar hinterher, es habe in dieser Hinsicht kein Drehbuch gegeben. Dennoch schien sich in puncto Rekordspiel von Christian Günter alles perfekt zu fügen.
Schon vor zehn Tagen war der Freiburger Kapitän in Düsseldorf mit dem langjährigen SC-Rekordspieler Andreas Zeyer (57) gleichgezogen – mit jeweils stolzen 440 Pflichtspiel-Einsätzen. Schuster ließ seinen früheren Mitspieler anschließend bei Union Berlin (0:0) sowie in der Europa League in Nizza allerdings zweimal auf der Bank schmoren. Der Rahmen gegen St. Pauli passte dafür dann ideal zum alleinigen Rekord: 441!
Günter war auf dem Cover des Stadion-Magazins „Heimspiel“ zu sehen, kündigte zuvor bereits 5440 Liter Freigetränke für die Fans an und durfte dann vor den Augen von Familie und Freunden im heimischen Wohnzimmer wieder in der Startelf stehen. Sein achtes Anfangsmandat im 16. Pflichtspiel der Saison. Schon seit Ende der vergangenen Spielzeit muss sich der frühere Dauerbrenner den Job hinten links mit Jordy Makengo teilen, der später fast zum Partycrasher mutiert wäre.
Ehrung und ein früher Feierabend
Günter wurde kurz vor dem Anpfiff noch mit Blumen und einer Karikatur von den Vorständen Jochen Saier und Oliver Leki sowie Sportdirektor Klemens Hartenbach geehrt und schaffte es dann mit seinen Mitspielern, gegen einen völlig destruktiv-defensiven 5-4-1-Block der Gäste Geduld und Stabilität zu bewahren. Der SC glänzte nicht, erspielte sich über Chipbälle von Vincenzo Grifo und Matthias Ginter aber zunächst zwei gute Chancen durch Niklas Beste und Yuito Suzuki, ehe Suzuki und Maximilian Eggestein dann mit ihren Toren Fehler und das luftige Verteidigen der Kiezkicker bestraften.
„Wir haben größtenteils geduldig gespielt“, meinte Schuster hinterher und erwähnte neben den beiden Chancen die Ecken-Statistik von 8:0 in der ersten Hälfte. Nach dem siebten Eckstoß markierte Suzuki, unter Mithilfe des patzenden St.-Pauli-Keepers Nikola Vasilj, die wichtige Führung. „Gut, dass wir das zweite Tor nachgelegt haben“, meinte Schuster, der seinen Jubilar schon nach 57 Minuten im Rahmen eins Dreifachwechsels in den frühen Feierabend schickte.
Günter war mit 31 Ballkontakten und ohne statistisch erfassten Zweikampf unauffällig geblieben, hatte defensiv wie seine Teamkollegen aber nichts anbrennen lassen. Doch gut zehn Minuten später leitete der für ihn eingewechselte Makengo den überraschenden Anschlusstreffer der zuvor komplett harmlosen Gäste mit einem krassen Fehlpass ein, und plötzlich wich die Freiburger Spielkontrolle dem Zittern. „Das ist die Psychologie des Fußballs, du hast dann auf einmal was zu verlieren“, analysierte Günter.
Schuster: „Das stört mich einfach“
Für Schuster war der Gegentreffer aus dem Nichts, den auch Philipp Treu mit einer verunglückten Klärungsaktion in der Mitte begünstigt hatte, das „große Aber“ an diesem Sonntagnachmittag: „Das stört mich einfach, dass wir es nicht geschafft haben, das Spiel souverän nach Hause zu bringen, sondern St. Pauli noch mal die Möglichkeit gegeben haben, zurückzukommen.“
Letztlich überstand der SC aber die unerwartete Schlussoffensive der Hamburger, vor allem noch eine gute Chance von Jackson Irvine, und konnte sich dank der durch den Sieg verschafften Ruhe in der Liga ganz der Rekordparty widmen. „Das macht mich extrem stolz und glücklich. Es gibt nichts Schöneres, als für diesen Verein zu spielen“, sagte Günter und meinte zu den Freigetränken: „Ich bin so vielen Leuten und den Fans extrem dankbar. Ich werde es ihnen nie zurückzahlen können, aber ich versuche es zumindest mit einer kleinen Geste.“
„Als ich am Anfang als junger Spieler hochgekommen bin, gab es bestimmt den einen oder anderen, der gedacht hat: Oh je, der Günter, um Gottes Willen!“ (Christian Günter)
Mit dem Anhang verbindet das zunächst als Fan und seit 2007 im SC-Trikot sozialisierte Schwarzwälder Eigengewächs eine besondere Geschichte. „Als ich am Anfang als junger Spieler hochgekommen bin, gab es bestimmt den einen oder anderen, der gedacht hat: Oh je, der Günter, um Gottes Willen! Aber ich habe mich dann wirklich reingebissen und die Fans haben mich unterstützt. Sie haben immer hinter uns gestanden“, erzählte der Jubilar, der mit einem Bier in der Hand per Megafon nach dem Abpfiff den Einpeitscher am Fanzaun geben durfte.
Auch im Mannschaftskreise dürfte es anschließend ein paar nicht besonders regenerationsfördernde Getränke gegeben haben. Grifo hatte schon angekündigt, mal eine Ausnahme zu machen und seinem Kumpel und kongenialen Partner auf der linken Seite zuliebe mit einem Wein auf das beeindruckende Jubiläum anzustoßen.

