Reifer Bellingham: Maschine statt Superstar

Bei seinem ersten Auftritt zeigt sich Borussia Dortmunds Zugang Jobe Bellingham souverän, vorfreudig, selbstbewusst und klar.

Der Brite über Ziele, Spielweise und Kovacs Fußball

Aus Saalfelden/Österreich berichtet Patrick Kleinmann

Das kleine Geständnis kam unerwartet. Lächelnd stand Jobe Bellingham im Anbau des schicken Dortmunder Vier-Sterne-Hotels Brandlhof nördlich von Saalfeld, souverän berichtete er über sich als Spieler, seine Entscheidung für Borussia, seine Ziele mit dem Klub und – natürlich – auch ein bisschen über Bruder Jude. Doch ganz so wohl, wie es wirkte, war dem 19-Jährigen bei dessen ersten öffentlichen Auftritt wohl doch nicht: „Ich bin nervös, wenn ich solche Interviews mache.“

Anzumerken war es ihm nicht, im Gegenteil. Freundlich, verbindlich, offen: Bellingham hinterließ einen starken, reifen Eindruck voller Vorfreude auf die Zeit in Schwarz-Gelb. „Ich bin wirklich aufgeregt und es fühlt sich gleichzeitig an, als wäre ich schon ewig hier.“ Als Begleitung seines älteren Bruders war Jobe bereits oft als Zuschauer in Dortmund, „es ist schon wie ein Zuhause für mich.“

„Ich bin noch jung und sicher nicht perfekt“

Die von Jude hinterlassenen Fußstapfen sind gleichzeitig Hilfen für die ersten Schritte und Gradmesser für den Zweitgeborenen. Der heutige Madrilene entwickelte sich beim BVB zum Weltklasse-Spieler, ihm direkt zu folgen sorgte lange für Zweifel über den selben Wechsel. „Das war etwas, worüber ich lange nachgedacht habe, das liegt in meiner Natur. Ich bin noch jung und sicher nicht perfekt.“

Am Ende habe ihn der Klub „wirklich überzeugt“ und die Chancen überwogen: „Ich bin jemand, der sich nicht von den Ideen und Meinungen anderer Leute beeinflussen lassen möchte. Und ich wollte für Borussia Dortmund spielen. Das war meine Entscheidung, und ich habe sie für mich getroffen.“

Die Klub-WM als Eingewöhnung

Schon bei der Klub-WM hatte er seine Qualitäten angedeutet, war mit erhobenem Kopf, Leidenschaft und Zielstrebigkeit vorangegangen und hatte dort gegen die Mamelodi Sundowns sogar direkt sein erstes Tor in Schwarz-Gelb erzielt. „Für mich war das Turnier eine extrem wertvolle Erfahrung“, findet er: „Ich konnte mich schon an meine Mitspieler und den Spielstil gewöhnen.“ Und das, was Coach Niko Kovac plant, liegt dem Briten: „Er will Fußball mit hoher Intensität spielen, das sagt er uns immer wieder. Wir sollen aggressiv pressen und dann nach vorne spielen.“

Dabei plant der Trainer wohl mit einem offensiveren Bellingham, als der das aus seiner Zeit beim AFC Sunderland gewohnt war. „Bisher habe ich etwas weiter vorne gespielt als in der letzten Saison, in den Positionen fühle ich mich aber nicht unwohl.“ Zumal die Flexibilität zwischen den Strafräumen und das Gespür für die richtigen Räume zu seinen Stärken gehört.

Maschine statt Superstar

Die sollen in den kommenden Jahren Dortmund nun zu „Superstärken“ ausgebaut werden, „weil ich zu den besten Mittelfeldspielern Europas gehören möchte“. Und genau das, glaubt Bellingham, geht beim BVB besonders gut: „Ich bin hierhergekommen, weil der Verein junge Spieler entwickeln kann, das hat man in den letzten Jahren gesehen. Dortmund ist kein Klub, zu dem man als Superstar kommt und das entspricht auch meinem Charakter: Ich will kein Superstar sein, ich will wie eine Maschine sein.“

Eine Maschine, die nach Titeln strebt: „Das sollte das Ziel eines jeden Spielers sein. Und der BVB ist ein Verein, der in den letzten Jahren auf diesen großen Moment wartet, den er verdient hätte.“ Bellingham weiß, wovon er spricht. Bei der mit einem 2:2 gegen Mainz 05 verspielten Meisterschaft vor zwei Jahren war er ebenso im Stadion wie beim gegen Jude und Real Madrid verlorenen Champions-League-Finale: „Ich weiß, was die Fans denken, sie wollen unbedingt die Meisterschaft. Und warum nicht? Aber das geht nur über Konstanz.“

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