Der drohende Fehlstart ist nach dem 2:0 über St. Pauli abgewendet, das Selbstvertrauen vor den englischen Wochen gestiegen. Der Stuttgarter Erfolg hat viele Gesichter.
Stuttgart mit Selbstbewusstsein in die englischen Wochen
Wenn vielleicht auch nicht perfekt, dafür aber hoch engagiert, intensiv, lauf-, spiel- und einsatzfreudig besiegte der VfB am Freitag den FC St. Pauli mit 2:0. „Das ist die Art, wie wir spielen wollen“, so Cheftrainer Sebastian Hoeneß hinterher, der personell ganz offensichtlich die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Der Pokalsieger überzeugte nach schwachem Saisonstart mit einem verbesserten Auftreten – und das lag vorrangig an diesen Gesichtern:
Demirovic beflügelt vom Kapitänsamt
Ermedin Demirovic, der für den auf die Bank beorderten Atakan Karazor die Kapitänsbinde trug, nahm diese neue Verantwortung mit Haut und Haaren an. Der bosnische Nationalspieler marschierte vorneweg. In allen Belangen und Bereichen. Der 27-Jährige lief den Gegner bei dessen Aufbauspiel an, trieb seine Mitspieler an, die Räume zu schließen, zu attackieren. Er erzielte einen Abseitstreffer (4.), vereitelte mit seiner Abseitsstellung Angelo Stillers Tor (58.), schloss sehenswert gekonnt zum 1:0 ab, bereitete das 2:0 vor und hätte sogar allein vor seinem Landsmann Nikola Vasilj das 3:0 (56.) erzielen müssen.
- Tabelle der Bundesliga
„Für so einen Verein als Kapitän aufzulaufen und dann auch noch so einen Sieg zu feiern, ist etwas ganz Besonderes. Ein extrem schönes Gefühl, das einen beflügelt“, so Demirovic, der alle seine 47 Bundesliga-Tore im Strafraum erzielt hat. „Ich würde ja gerne mal von außerhalb treffen. Aber ich bin Stürmer und fühle mich da am wohlsten. Wenn ich weiter so treffe, bin ich damit auch einverstanden.“
Chema will mit den Journalisten ein Selfie aufnehmen
Chema konnte mit seinem Debüt in der Stuttgarter Startelf ebenfalls einverstanden sein. Mehr als einverstanden sogar. Der Neuzugang von Real Madrid überzeugte mit seiner Spielstärke, Pass- und Ballsicherheit als Partner von Stiller. Der 20-Jährige lief 11,41 Kilometer, gewann 75 Prozent seiner Zweikämpfe am Boden und 100 Prozent in der Luft. 87 Prozent seiner Pässe kamen an, was dem Spiel gerade im Zentrum guttat. „Für einen 20-Jährigen, der aus dem Ausland gekommen ist, war das für den ersten Startelfeinsatz außergewöhnlich gut“, sagt Sportvorstand Fabian Wohlgemuth.
Und auch nach dem Spiel sorgte Chema für gute Unterhaltung. Von den Journalisten in der Mixed Zone angesprochen, wollte er sich freundlich lächelnd sofort zum Selfie dazustellen. Bis er die Verwechslung bemerkte und sich dem Gespräch verweigernd, aber nicht weniger freundlich lachend aus dem Staub machte.
Bilal El Khannouss stellte sich dagegen gerne den Fragen. Der WM-Qualifikant aus Marokko ließ seine Technik und Spielintelligenz erkennen, erzielte zudem das 2:0. „Er möchte immer den Ball, dreht meistens Richtung gegnerisches Tor auf und ist dann in der Lage, offensive Lösungen zu finden“, sagt Trainer Hoeneß über den Nationalspieler, der sich in fünf Sprachen verständigen kann.
„Ich weiß, dass ich wachsen werde. Es werden große Dinge passieren.“ (VfB-Nuuzugang Bilal El Khannouss)
„Ich spreche Französisch, Niederländisch, Englisch, ein bisschen Spanisch und Arabisch. Deutsch kommt als Nächstes dran. Ich will die Sprache lernen und Teil der Kultur werden“, erzählt der 21-Jährige, dem ein knappes Dutzend Familienangehörige im Stadion die Daumen gedrückt hatte. „Mein erstes Tor vor meiner Familie macht mich sehr glücklich“, sagt El Khannouss, der im Eiltempo eine Wohnung gefunden und sich eingelebt hat. „Schneller als in England“, wo er für Leicester spielte, das ihn für rund drei Millionen Euro an den VfB verlieh. „Meine Mutter, mein Vater und mein Bruder kommen mich abwechselnd besuchen. Ich bin also nie allein.“
Der Unterschied zum Fußball auf der Insel sei nicht weniger gewöhnungsbedürftig. „Es ist ein anderer Fußball, eine andere Spielweise, eine andere Kultur“, so der Mittelfeldmann. „Die Intensität ist anders, die Fans sind anders. In England wird intensiver, etwas schneller gespielt, du musst schneller Entscheidungen treffen. Aber die Bundesliga ist ein guter Wettbewerb. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein, und weiß, dass ich wachsen werde. Es werden große Dinge passieren.“
Tiago Tomas und Assignon wirbeln auf rechts
Tiago Tomas und Lorenz Assignon, die als Neuzugänge in der Startformation vom Freitag ebenfalls zur geschlossenen Mannschaftsleistung der Schwaben beitrugen, rundeten das positive Gesamtbild ab. Gemeinsam sorgten der Portugiese, der am (verschossenen) Elfmeter beteiligt war, und der Franzose, der immer wieder mit (vereitelten) Abschlussversuchen auf sich aufmerksam machte, für Wirbel über den rechten Flügel.
Stuttgart meldet sich zurück, sorgt mit frischen Köpfen für lachende Gesichter und geht mit Zuversicht in die anstehenden englischen Wochen, die mit dem ersten Spiel in der Europa-League-Gruppenphase am Donnerstag gegen Celta Vigo beginnen.