Frank Mill ist im Alter von 67 Jahren verstorben. In Erinnerung bleibt der gebürtige Essener als Schlitzohr – und auch wegen eines Tores, das er gar nicht geschossen hat. Ein Nachruf auf einen Stürmer, wie es ihn nicht oft gab.
Nachruf auf Frank Mill
123 Bundesliga-Tore hat Frank Mill auf seinem Konto. Nicht wenig. Damit liegt er auf Platz 31 der Rekordtorjäger. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass Mill jedoch die meiste Aufmerksamkeit – und mehr oder weniger traurige Berühmtheit – mit einem Tor erlangte, das er gar nicht geschossen hat. Am 9. August 1986 spielte er mit der Dortmunder Borussia in München. Beim Stand von 1:1 legte er seinen großen Auftritt hin, der am Ende zur Lachnummer einer ganzen Fußball-Nation wurde. Allein war er aufs Tor der Bayern zugelaufen, hatte auch deren Keeper Jean-Marie Pfaff umkurvt und steuerte aufs leere Gehäuse zu. Dann wurde er allerdings plötzlich schneller als der Ball, verlor den Rhythmus und schoss die Kugel an den Pfosten.
Noch heute haben viele Fußball-Fans diese Slapstick-Szene vor Augen. Dabei wird die Reduzierung auf dieses Missgeschick dem Fußballer Frank Mill überhaupt nicht gerecht. Denn er war tatsächlich über viele Jahre ein erstklassiger Spieler. Ein Stürmer, wie es ihn nicht oft gab. Mill war der klassische Neuner, ein Mittelstürmer mit eingebauter Torgarantie. Groß geworden bei Rot-Weiss in seiner Geburtsstadt Essen, machte er schon früh auf sich aufmerksam. Von 1976 bis 1981 spielte er dort, in seiner Anfangszeit noch an der Seite von Horst Hrubesch. In seiner letzten Saison in der 2. Liga 1980/81 erzielte er in 38 Spielen 40 Treffer, wurde Torschützenkönig und wechselte schließlich nach Mönchengladbach. 71 Treffer in 153 Spielen für die Fohlen sind für ihn notiert, einen Titel gewann er allerdings mit der Borussia nicht.
Wenn nichts fruchtete, griff Mill gerne zu unkonventionellen Mitteln
Den holte er dann allerdings mit Borussia Dortmund, wo Mill gerade in den ersten Jahren seine Stärken zur Geltung brachte. Mill war das, was man gemeinhin ein „Schlitzohr“ nennt. Er entwickelte immer wieder Gespür dafür, wohin er sich bewegen musste und wohin der Ball kommen würde. Und wenn das alles nicht fruchtete, dann griff Mill auch gerne zu unkonventionellen Mitteln. Abschlagenden Torhütern spitzelte oder köpfte er schon mal den Ball aus der Hand, gegnerische Verteidiger machte er mit seiner Wendigkeit und seinen ständigen Rhythmuswechseln verrückt. Und trotz seiner nicht gerade auffälligen Körpergröße war er kein schlechter Kopfballspieler.
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Was er auch 1989, im DFB-Pokal-Finale in Berlin, eindrucksvoll unter Beweis stellte. Nicht nur in Dortmund ist der Triumph gegen Werder Bremen (4:1) natürlich vor allem mit dem Namen des zweifachen Torschützen Norbert Dickel verbunden. Der vielleicht wichtigste Mann in diesem Finale, in das der BVB keineswegs als Favorit gegangen war, war aber wahrscheinlich – Frank Mill. Zweimal servierte er für Dickel, den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich köpfte er selbst. Und das, nachdem er, wie er später zugab, in der Halbzeitpause noch schnell auf der Stadion-Toilette eine Zigarette geraucht hatte.
Mill bescherte dem BVB die Ringelsocken
Übrigens: Dass die Dortmunder in Berlin beim Cupgewinn zum ersten Mal in schwarz-gelben Ringelsocken aufliefen, wurde ihm, Frank Mill, zugeschrieben. Mill hatte vor allem mit seinem Freund, dem damaligen Zeugwart und Busfahrer Hartmut Wiegand, der von allen nur „Bomber“ genannt wurde, besprochen, dass man für so ein besonderes Spiel auch mal etwas Besonderes machen müsse. Dass Mill die Sache mit den Stutzen einfiel, ist insofern komisch, als dass die des Angreifers in Spielen meist auf den Knöcheln hingen – ohne Schienbeinschützer natürlich, die man damals noch nicht tragen musste.
Zwei Jahre nach dem Sieg in Berlin löste Ottmar Hitzfeld als Trainer Horst Köppel ab. Für Mill wurde die sportliche Situation immer schwieriger. Er, der damals mit Michael Zorc, Torhüter Wolfgang „Teddy“ de Beer und Michael Lusch zu den Führungsspielern, Wortführern und auch Publikumslieblingen des Teams gehört hatte, geriet sportlich mehr und mehr ins Hintertreffen. Hitzfeld vertraute zunächst auf Flemming Povlsen und vor allem auf Neuzugang Stephane Chapuisat, die den BVB zur Vizemeisterschaft 1992 und später auch ins UEFA-Cup-Finale 1993 schossen. Für Mill blieb oft nur noch der Platz auf der Ersatzbank. Am Ende, 1994, nahm er bei Fortuna Düsseldorf noch mal eine neue Herausforderung an, spielte dort noch zwei Jahre bis zu seinem Karriereende.
Obwohl er über viele Jahre hinweg zu den besten Stürmern der Bundesliga gehörte, blieb Mill die große internationale Karriere versagt. 17 Länderspiele bestritt er, das erste 1982 noch unter Jupp Derwall, das letzte im Mai 1990 unter Franz Beckenbauer. 1990 gehörte er in Italien zwar auch dem WM-Kader an, blieb – vor allem im Schatten von Jürgen Klinsmann und Rudi Völler – aber ohne Einsatz. Fast mehr Aufmerksamkeit erreichte er zwei Jahre zuvor als Mitglied der deutschen Olympia-Auswahl, der seinerzeit in Deutschland große Sympathie entgegenschlug und die 1988 mit Mill in Seoul Bronze gewann.
Frank Mill lebte zuletzt in Alverskirchen, einem Dorf zwischen Münster und Warendorf, und auf Sizilien. Er verstarb in der Nacht zum Dienstag an den Folgen eines Herzinfarkts. Er wurde nur 67 Jahre alt.