Guilherme Ramos war Retter und Symbolfigur zugleich. Denn dass der HSV beim 2:1-Sieg nach Verlängerung in Pirmasens durch einen Profi gerettet wurde, der ohne Zukunft ist, ist beispielhaft für einen Verein, der nach dem Aufstieg auf der Suche nach Orientierung ist.
HSV-Umbruch geht weiter
Veränderung ist das Gebot der Stunde, etliche Aufstiegshelden sind ohne Perspektive. Für den robusten und bisweilen ungestümen Innenverteidiger galt das schon im Vorjahr. Nach nur einer Spielzeit wurde Ramos im vergangenen Sommer in seine portugiesische Heimat ausgeliehen, kam bei Santa Clara aber nur zu sechs Einsätzen. Die Folge: Er kam ohne echte Aussicht auf Einsatzzeit zurück, bekommt seine Minuten jedoch, weil er vorbildlich arbeitet. Und, da er eine Waffe hat: sein Kopfballspiel.
Kuntz und Polzin verweisen auf klare Absprachen
Weil dem Bundesliga-Aufsteiger am Samstag selbst gegen einen Oberligisten spielerische Lösungen fehlten, brachte Merlin Polzin den wuchtigen Portugiesen für die Schlussminuten als Brechstange, prompt traf er in der Nachspielzeit per Kopf. „Wir kennen Gui ja“, erklärt Teamkollege Miro Muheim, „wenn er da vorne reinfliegt, weißt du, dass etwas passiert. Ich freue mich sehr für ihn.“
Ein ruhender Ball des Schweizers war Ausgangspunkt des Treffers. In der Vorsaison war dies ein Stilmittel, immer wieder hatte Muheim vor allem Davie Selke zu Kopfballtreffern verholfen. Ohne Selke ist diese einstige Stärke, wie so viele andere, abhanden gekommen. Das war, wie in der gesamten Vorbereitung auch in Pirmasens wieder sichtbar. Ehe Verkaufskandidat und Abwehrspieler Ramos auf den Plan trat. „Ich hoffe“, sagt Muheim womöglich auch im eigenen Interesse, „dass es für Gui so weiter geht.“ Doch genau das wird nicht der Fall sein. Ramos bleibt ein Verkaufskandidat.
Die Verantwortlichen werden nicht müde, die Einstellung des 28-jährigen Ex-Bielefelders zu rühmen, wirklich Verwendung für ihn haben sie nicht. Auch, weil noch ein weiterer Innenverteidiger kommen soll. „Gui hat die Vorgabe maximal umgesetzt, ihn zeichnet absolute Mentalität aus“, lobt Polzin. „Er hat die Vorbereitung genutzt, um auf sich aufmerksam zu machen, aber wir hatten sehr klare Gespräche.“ Und diese gehen Richtung Trennung, wie auch Stefan Kuntz nochmals unterstreicht. „Seine Einstellung kann man sich zum Vorbild nehmen, da können sich einige eine Scheibe abschneiden.“ Auf die Frage, ob sich dadurch auch die Perspektive verändert, erneuert der Sportvorstand: „Das glaube ich nicht. Es wird schwer. Und er weiß das.“
Der HSV ist eine Woche vor dem Start eine Gruppe, in der die einstigen Stärken, Homogenität und spielerische Qualität, durch die sportliche Neuorientierung derartig verloren gegangen sind, dass sie selbst gegen einen Fünftligisten nicht aufblitzen. Kuntz ahnt: „Es wird noch eine Weile dauern, wir brauchen Geduld. Es ist ein Prozess.“ Ramos soll kein Teil davon sein. Aber er hat mit seinem Treffer zumindest dafür gesorgt, dass der HSV während dieses ohnehin steinigen Prozesses nicht auch noch durch ein historisches Pokal-Aus erschüttert wird.