Auf die große Erleichterung über den erfolgreichen Saison-Endspurt folgt nun für Dortmunds Sport-Geschäftsführer Lars Ricken die große Analyse. In einer Talkrunde gab er nun Einblick, wie er sich den BVB in Zukunft vorstellt.
Dortmunds Sport-Geschäftsführer zieht Bilanz und blickt voraus
Es war eine große Erleichterung, die Lars Ricken am vergangenen Samstagnachmittag verspürte. Eine große Erleichterung darüber, dass es der BVB, den er seit dem Mai 2024 als Sport-Geschäftsführer leitet, am letzten Spieltag der Saison doch noch auf Rang vier – und damit in die Champions League – geschafft hat. Eine große Erleichterung ganz sicher auch darüber, dass der Sommer dadurch nun besser und ruhiger planbar geworden ist. Der befürchtete Image-Gau, einhergehend mit schweren finanziellen Einbußen, blieb aus – auch dank Rickens richtigem Gefühl, Anfang Februar alles auf die Karte Niko Kovac zu setzen.
Der erste Gang führte zu Kovac
Der erste Gang, den Ricken nach dem Abpfiff gegen Kiel (3:0) nahm, führte ihn dann auch in die Arme des 53-Jährigen. Beide sprachen sich gegenseitig einen Dank aus – der eine für das Vertrauen, der andere für das sportlich Erreichte. „In diesem Moment“, blickte Ricken am Dienstag bei der Aufzeichnung des Talk-Formats Brinkhoff’s Ballgeflüster auf den Samstag zurück, „ist viel Last von uns allen abgefallen. Bei aller berechtigter Kritik. Die Momente vor der Südtribüne sind die, von denen die Spieler irgendwann später noch immer viel erzählen werden.“ Momente, die die Faszination des BVB, aber auch des Fußballs allgemein, sichtbar machten – weil urplötzlich vergessen war, was zuvor war – eine Saison, die Ende Januar kurz davor stand, zur Vollkatastrophe für den Klub zu werden, der im Vorjahr noch im Champions-League-Finale stand.
Anders als die Fans, deren zwischenzeitlicher Frust sich am Ende auflöste und in Freude umschwang, dürfen Ricken, Kovac und Sport-Direktor Sebastian Kehl nicht so schnell vergessen, was war. „Wir haben nur das Minimalziel erreicht“, erinnerte Ricken explizit noch einmal daran, warum Kovac am Samstag gesagt hatte, dass kein Grund zum Jubel bestehe. Unter Nuri Sahin war die Mannschaft im Verlauf der Hinrunde immer tiefer in die Sinn- und Schaffenskrise geraten – und konnte dabei von dem noch jungen Trainer nicht stabilisiert werden. Das langfristig angelegte Projekt mit dem Dortmunder Ex-Profi scheiterte nach rund einem halben Jahr krachend. Auch die Zukunft von Ricken und Kehl stand zu dieser turbulenten Zeit auf tönernen Füßen und war abhängig davon, als wie erfolgreich sich ihr Krisenmanagement entpuppen würde.
„Wir müssen den Schwung jetzt mitnehmen“
Man sei „durch die Saison geirrt“, sagte Ricken am Dienstagabend selbstkritisch, als er in der Kulisse des klubeigenen Museums die Spielzeit Revue passieren ließ. Doch unter der Regie von Kovac, dessen Ruhe nach etwas Startschwierigkeiten den gesamten Klub befriedete, fand die Mannschaft noch den richtigen Ausweg – und hätte wohl gerne direkt weitergespielt angesichts der erarbeiteten Formstärke und Stabilität.
„Wir müssen den Schwung jetzt mitnehmen“, sagte Ricken und nannte die Punkte „Einstellung und Widerstandskraft“ als wesentlich: „Das wollen wir beibehalten. Wir haben eine gute Basis gelegt.“ Für die Klub-WM, die Mitte Juni in den USA startet. Aber – so zumindest die Hoffnung der Verantwortlichen – auch für die kommende Saison, in der der BVB endlich auch einmal in der Hinrunde überzeugen möchte und nicht wieder erst dann, wenn er bereits mit dem Rücken zur Wand steht.
Welche Geschichte will der BVB künftig erzählen?
Entscheidend dafür wird sein, welche Schlüsse die Führungskräfte des Klubs aus der zurückliegenden Spielzeit ziehen werden. Bereits jetzt ist absehbar, dass der Fokus künftig wieder mehr auf der Entwicklung und Förderung von jungen Spielern liegen wird. Im Winter gab die Verpflichtung von Daniel Svensson, der als No-Name aus der ersten dänischen Liga kam und schnell Fuß auch in der Champions League Fuß fasste, die Richtung vor. Die Transferziele für diesen Sommer – unter anderem der 19-jährige Jobe Bellingham (Sunderland) und der zwei Jahre ältere Rayan Cherki (Lyon) – passen ebenfalls dazu.
Auch wenn es einen XXL-Umbruch nicht geben wird, da alle Spieler unter Vertrag stehen und das Personalbudget auch beim BVB nicht unendlich ist, sind signifikante Verbesserungen geplant. Sollte es zudem gelingen, den einen oder anderen Wechselkandidaten – zuvorderst die Leihrückkehrer Youssoufa Moukoko und Sebastien Haller sowie Flügelstürmer Jamie Gittens – zu verkaufen, würde weiterer finanzieller Spielraum frei, der Dortmunds Handlungsfähigkeiten verbessern würde.
Die finalen Saisonwochen lieferten wertvolle Indizien
„Wir wollen den Fokus wieder auf jüngere Spieler legen“, bestätigte Ricken am Dienstag, freilich ohne irgendwelche Namen zu kommentieren. Entscheidend für den Klub sei das „Storytelling“, mit dem man die Leute ins Stadion holen wolle. Die finalen Saisonwochen, in denen es der BVB schaffte, durch ein dynamischeres, laufstärkeres und direkteres Spiel das eigene und stets kritische Publikum wieder auf die eigene Seite zu ziehen, lieferte wertvolle Indizien.