Florian Wirtz ist ein Ausnahmekönner, dessen Temperament wichtiger Bestandteil seines Spiels ist. Manchmal geht ihm dieses wie in der Champions League bei Atletico Madrid durch. Doch daraus hat Bayers Topstar gelernt, wie er mit etwas Abstand erklärt.
Bayer-Topstar selbstkritisch
Die Szenen aus dem Champions-League-Spiel am 21. Januar bei Atletico Madrid sind noch präsent. Bei der 1:2-Niederlage im Metropolitano war Florian Wirtz wiederholt mit Spielern der Gastgeber verbal aneinander geraten. Der Topstar ging auf diese ein, wandelte nach einem Foul sogar am Rande einer Ampelkarte und verlor den Fokus auf sein Spiel genauso wie Bayer 04 die Partie trotz Überzahl nach einer 1:0-Führung.
Das Atletico-Spiel war für Wirtz eine Lehrstunde
Es war eine Lehrstunde in Sachen psychologischer Kriegsführung, auch wenn der Dribbelkünstler sich regelmäßig mit provozierenden Attacken auseinandersetzen musste. Sei es körperlich oder verbal. „Ich bin das schon gewohnt – auch, dass ich immer einen Spieler auf die Füße gestellt bekomme. Mir macht das eigentlich nicht viel aus“, erklärte der deutsche Nationalspieler dazu jetzt in einem Interview des „Werkself“-Magazins, „ich denke, dass ich aus dem Madrid-Spiel auch was lernen konnte, dass ich mich nicht so viel in Labereien verwickeln lasse. Denn generell bin ich jemand, der das gar nicht an sich ranlässt. Dann können sie mir so viel erzählen, wie sie wollen.“
In Madrid war es ihm nicht geglückt, eine solche emotionale Distanz zu bewahren. Wirtz ging damals auf die meist verbalen Provokationen ein und kam dabei von seinem eigenen Spiel ab. Kurios dabei: Die verbalen Scharmützel mit den Atletico-Profis, die vor allem Rodrigo de Paul mit dem Leverkusener Topstar austrug, liefen nicht wirklich über einen wirklich inhaltlichen Austausch ab, sondern stellte mehr das wütende Schnauben zweier Stiere da, die bei ihrem gegenüber Eindruck schinden wollten.
„Ich muss mich einfach nur auf meine Dinge konzentrieren.“ (Florian Wirtz)
Der Grund: die fehlende sprachliche Basis, wie Wirtz mit einem Lachen zu den emotionalen Dialogen erklärt: „Er auf Spanisch, ich auf Englisch. Also keiner hat keinen verstanden“, beschreibt der 21-Jährige den Konflikt mit dem argentinischen Weltmeister, „ich wollte mir halt nicht alles gefallen lassen.“
Entscheidend dabei war der Lerneffekt, den der Kreativakteur bei sich selbst ausgemacht hat, der sich seiner Schwäche bewusst ist: „Aber ich glaube, dass ich schon in der zweiten Halbzeit in Madrid aus der ersten Halbzeit gelernt habe“, sagt Wirtz, der spätestens seit jener Partie weiß: „Ich muss mich einfach nur auf meine Dinge konzentrieren.“
Schon vier Tage später in Leipzig hatte sich Wirtz im Griff
Schon vier Tage später ließ sich Wirtz jedenfalls beim 2:2 in Leipzig, als er in bester Messi-Manier aufspielte (kicker-Note 1), von den Provokationen der Leipziger wie Willi Orban nicht aus der Bahn werfen, hielt zwar Stirn an Stirn dagegen, ohne aber dabei wie in Madrid den Fokus auf sein Spiel zu verlieren.
Den richtigen Umgang mit den gegnerischen Provokationen hat der Ausnahmespieler offenbar gelernt. Ob dies dauerhaft und auch dafür gilt, dass er selbst, wenn er hart angegangen wird, nicht mehr versucht, seine Gegenspieler sportlich zu provozieren, wird spannend zu beobachten sein.
„Manchmal wird er ein bisschen bockig, wenn ihm der Gegner auf den Sack geht.“ (Jonathan Tah)
Hatte Abwehrchef Jonathan Tah doch schon in de Hinrunde nach dem 2:0-Sieg in Augsburg auf die Frage, wo er denn noch Verbesserungspotenzial bei Wirtz sehe, erklärt: „Verbesserungspotenzial? Das ist wirklich schwierig. Manchmal wird er ein bisschen bockig, wenn der Gegner ihm auf den Sack geht. Und dann will er dem Gegner sehr zeigen: Du kannst versuchen, mich zu treten, aber du kannst trotzdem nichts gegen mich machen. Das kann er vielleicht bald mal abstellen.“
Hat Leverkusens Kreativdirektor auch diesen Schritt nachhaltig vollzogen, wäre er noch näher an der Perfektion als er es ohnehin schon zu sein scheint.